Die Empörung ist die besser erzogene Schwester von Leuten, die etwas echt scheiße finden, die eine Stinkwut haben oder denen gleich der Kragen platzt. Die andere, womöglich sogar noch etwas besser erzogene Schwester, ist die, die sich echauffiert. Manche von den Empörten stehen übrigens aktuell der Union nahe, die sich im Wahlkampfmodus, selten aber sonst, sensibel zeigt. Andere wiederum stehen dem Journalismus nahe - und dessen Begeisterung für das griffige Formulieren. (Gegen die "flotte Schreibe" wollen wir uns jedoch ein anderes Mal empören.)
Hier jedenfalls die keineswegs empörende, sondern eher sturmflut-, wenn nicht sturmwutartig inflationäre Ausbeute der letzten 24 Stunden unter besonderer Berücksichtigung der Google-Optimierung, die zu den fabelhaften Erfindungen der Neuzeit gehört: In der Frankfurter Rundschau "sorgt der Corona-Maskenskandal für Empörung". Das ZDF sagt: "In der Union ist die Empörung über die Verwicklung von Bundestagsabgeordneten der eigenen Partei bei der Beschaffung von Corona-Masken groß." Und auch in der SZ hieß es unter dem umhauend schönen Titel "Da haut es dich weg": Der Skandal "empört viele in der Union". Möglicherweise ja sogar solche Leute, die sich in der Opposition bereits echauffiert haben.
Nun ist das so eine Sache mit dem "Charisma der Kriegs-Tobsucht" (Max Weber). Das lateinische "ira" meint Zorn, Wut, Grimm und auch die eher zeitgenössische Regieanweisung "Empört euch!" (Stéphane Hessel). Im Christentum gehört das emotionale Terrain zu den sieben Todsünden. Der Zorn führt bei Dante direkt in den fünften Kreis der Hölle, wo zum Beispiel der Friederich als arger Wüterich in pädagogischer Absicht schon schmort.
Doch ist es bei Homer die Wut und bisweilen eine kleine Raserei, die die Welt in Gang setzen. Wenn die Wut dazu dient, dass sich die Welt womöglich neu und besser erfindet: gut so. Wenn die Empörung aber nur das rhetorische Federbett ist, das einen davor bewahrt, aufstehen und etwas tun zu müssen, also das wäre einigermaßen empörend. Wenn nicht sinnlos.