Paul Katzenberger, Kultur- und Medienredakteur, empfiehlt den Film
"Boyhood"
Worum geht`s? Wie man mit cleverer Reduktion die Wirkung von Spielfilmen steigert, hat Richard Linklater schon in seiner "Before"-Trilogie" bewiesen. In dem Film "Boyhood", für den er bei der Berlinale in diesem Jahr Beifallsstürme erntete, übertrifft sich der amerikanische Regisseur nun selbst. Denn eigentlich könnte die Coming-of-age-Geschichte von Mason (gespielt von Ellar Coltrane) kaum banaler sein. Es ist das Drama eines von Millionen Scheidungskindern, das mit unzuverlässigem Vater (Ethan Hawke) und beharrlicher Mutter (Patricia Arquette) aufwächst. Linklater erzählt vor allem von den Beiläufigkeiten des Alltags, die sich stetig aneinander reihen.
Dennoch ist "Boyhood" ein spektakulärer Film geworden, was hauptsächlich daran liegt, dass er über einen Zeitraum von zwölf Jahren entstanden ist. Die Wirkung ist gewaltig, sieht der Zuschauer den Schauspielern doch buchstäblich dabei zu, wie sich nicht nur ihre Figuren entwickeln, sondern auch sie selbst: Aus den pausbäckigen Kindern, zu denen neben Ellar auch Linklaters Tochter Lorelei zählt, werden idealistische Teenager und aus ihren Erzeugern, die zunächst mit ihrer eigenen Jugend kämpfen, abgeklärte Erwachsene. Und so vermittelt "Boyhood" ein Gefühl für etwas, was sich so schwer reproduzieren lässt: das schöpferische und zugleich nagende Regiment der Zeit.
Wer freut sich darüber? Alle, die ihre eigene Jugend Revue passieren lassen wollen. Vielleicht auch Buddhisten, die in diesem sehr westlichen Film ihre These bestätigt finden, dass es im Leben darauf ankommt, im Hier und Jetzt zu leben.