Empfehlungen der Redaktion:Bücher, die schlauer machen

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Fesselnde Frühjahrslektüre: Hier empfehlen SZ-Redaktuere ihre Lieblinge der aktuellen Saison. (Foto: N/A)

Echtzeit-Experimente zur Evolution und Miniaturen, die Hitler erklären: Elf Tipps für die Frühjahrslektüre.

Von SZ-Autoren

Phänomenologie der Frechheit

Indem er aus kleinen Szenen, randständigen Momenten der Weltgeschichte das große Ganze entstehen lässt, hat Éric Vuillard ein eigenes Genre erfunden: den literarischen Brühwürfel. Vier Bücher gibt es auf Deutsch, keines länger als 150 Seiten. Und doch steckt so viel darin wie in ganzen Historienschinken. "Die Tagesordnung", für die Vuillard den Prix Goncourt erhielt, skizziert die ersten Jahre der Hitlerdiktatur und ist zugleich eine Phänomenologie der Frechheit. Wie konnten Hitler und seine fiese Entourage mit ihren politischen Unverschämtheiten nur so weit kommen? Weil die deutsche Großindustrie vor ihnen genauso katzbuckelte wie der hilflose Kurt Schuschnigg, der den Anschluss Österreichs mit fassungsloser Resignation hinnahm. Alles ist minutiös recherchiert, aber Vuillard ist als Literat fast Lyriker, so dicht wird von angepasster Liebedienerei und auf der anderen Seite von unverfrorener Hochstapelei erzählt: "Was an diesem Krieg verblüfft", heißt es einmal, "ist der ungeheure Erfolg der Frechheit, der uns eines lehren sollte: Die Welt gehorcht dem Bluff." Mit solchen Sätzen ist das Buch hochaktuell. ALEX RÜHLE

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