Emmy-Awards:So viele Shows, so wenig Zeit

Viola Davis

"Man kann keinen Emmy bekommen für Rollen, die es einfach nicht gibt": Viola Davis, als erste Afroamerikanerin mit dem Preis als beste Schauspielerin in einer Dramaserie ausgezeichnet.

(Foto: AP)

Als erste Afroamerikanerin wird Viola Davis zur besten Hauptdarstellerin gekürt, endlich ein Emmy für Jon Hamm und der TV-Sender HBO dominiert die Serienwelt. Der Abend in Fragen und Antworten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Emmy gilt als der wichtigste Preis im amerikanischen Fernsehen. Bei der Verleihung im Microsoft Theater in Downtown Los Angeles soll es lockerer zugehen als bei den Oscars, jedoch nicht ganz so ausgeflippt wie bei den Grammys. Für zahlreiche Shows geht es bei der Veranstaltung kurz vor dem Start der neuen Spielzeit darum, auf die aktuelle Staffel aufmerksam zu machen. Schauspieler bereits beendeter Serien (Jon Hamm aus "Mad Men" etwa oder Jeff Daniels aus "The Newsroom") können darauf hinweisen, dass sie gerade nichts zu tun haben. Und natürlich geht es für die komplette Industrie darum, sich mal schön einen Abend lang selbst auf die Schulter zu klopfen - in diesem Jahr zunächst einmal für die Vielfältigkeit der Nominierten, was ein Seitenhieb auf die Oscars ist, die als "zu weiß" kritisiert worden sind. Kurz: Es geht um Selbstbeweihräucherung und Selbstvermarktung.

Für den Moderator gilt Dasselbe wie für alle Moderatoren von Preisverleihungen: Er kann scheitern wie Seth Myers im vergangenen Jahr - oder er kann schrecklich scheitern wie Neil Patrick Harris bei den Oscars. Eine Zusammenfassung des Abends in Fragen und Antworten:

Was ist passiert?

Schon in der Anfangssequenz thematisiert Moderator Andy Samberg das Problem der Emmys - und von Preisverleihungen allgemein. Die Television Academy hat in diesem Jahr ihre Regeln geändert: Alle Mitglieder dürfen in allen Kategorien abstimmen. Natürlich sollen sie zuvor alle Serien gesehen haben, weshalb der Tag eines Academy-Mitglieds 30 Stunden hat und das Jahr 500 Tage. Wie Samberg so schön singt: "So viele Shows, so wenig Zeit."

Weil auch noch andere Regeln geändert oder neu ausgelegt worden sind, gewinnt Uzo Aduba in diesem Jahr als beste Nebendarstellerin in einem Drama. Im vergangenen Jahr hatte sie für ihre Rolle als Crazy Eyes Warren in "Orange Is The New Black" als beste Nebendarstellerin in einer Komödie gewonnen. Für die gleiche Rolle in beiden Kategorien ausgezeichnet zu werden, das hat bislang nur Edward Asner ("The Mary Tyler Moore Show") geschafft.

Wer sind die Gewinner des Abends?

Jon Hamm. Er ist zum achten Mal in Folge für "Mad Men" nominiert - und es hätte an Sadismus gegrenzt, wenn er zum achten Mal in Folge zu denen gehört hätte, die nach dem Öffnen des Umschlages nicht nach vorne marschieren und eine Rede halten, sondern artig applaudieren und hinterher verkünden, wie sehr sie sich für den Gewinner freuen würden und dass es eine Ehre sei, überhaupt nominiert gewesen zu sein. Hamm gewinnt, endlich, er klettert auf die Bühne und sagt: "Das ist ganz klar ein Fehler." Nein, Jon, ist es nicht - es ist ein Fehler gewesen, dass du nicht schon vorher gewonnen hast.

Den Preis als beste Schauspielerin in einer Dramaserie hat Viola Davis gewonnen - sie ist die erste Afroamerikanerin, die diesen Preis abräumt. Davis wurde für ihre Rolle in der Krimiserie "How to Get Away with Murder" geehrt. Sie zitierte in ihrer bewegenden Dankesrede die Sklavereigegnerin Harriet Tubman aus dem 19. Jahrhundert und erklärte anschließend: "Man kann keinen Emmy bekommen für Rollen, die es einfach nicht gibt."

Außerdem räumte der TV-Sender HBO in diesem Jahr insgesamt 43 Emmys ab - die 29 Creative-Arts-Emmys aus der vergangenen Woche noch nicht mitgerechnet - unter anderem für "Game of Thrones" mit der Rekordzahl von 12 Auszeichnungen, für die Neurotische-Vizepräsidentin-Serie "Veep" und die Miniserie "Olive Kitteridge" über eine Mathematiklehrerin und deren Ehemann.

Und der Verlierer?

Ricky Gervais. Er gewinnt mal wieder keinen Emmy, obwohl er seit seinem letzten Sieg im Jahr 2006 (für "The Office") 19 Mal nominiert worden ist. Bei seinem herrlich verrückten Auftritt ein paar Minuten zuvor verkündet er, dass er gar nicht gewinnen will - und beweist damit, dass er derzeit der lustigste Mann im amerikanischen Fernsehen ist. Die lustigste Frau übrigens ist Amy Schumer, deren Show "Inside Amy Schumer" zu Recht in der Kategorie Variety Sketch Series gewinnt.

Schönster Moment

Jill Soloway bekommt einen Emmy als Erfinderin von "Transparent". Sie bedankt sich bei "Moppa" - ihrem Elternteil, der Soloway durch eine Geschlechtsumwandlung zu dieser Serie inspiriert hat: "In 32 US-Bundesstaaten könnte sie bei der Bewerbung um eine Wohnung deshalb abgelehnt werden." Gleich darauf bedankt sich Jeffrey Tambor, ausgezeichnet als bester Hauptdarsteller in einer Komödie, bei der Transgender-Gemeinde.

Schlimmster Moment

James Corden kommt auf die Bühne und fordert die Gäste zu stehenden Ovationen für die drei Mitarbeiter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf. Deren Aufgabe ist es gewesen, die Stimmen zu zählen und die Gewinner geheim zu halten. Insgesamt wird der Name der Firma 14 Mal erwähnt.

Bester Spruch:

"Ich danke euch - und ihr werdet mich niemals wieder sehen müssen." (Jon Stewart nach seinem elften Sieg in der Kategorie Variety Series)

Peinlichster Moment:

Terrence Howard gibt seiner Kollegin Taraji P. Hensonn ("Empire") einen Kuss auf die Wange - doch die wischt ihn sogleich weg.

Rührendster Moment:

Gegen Ende der Show kommt Tracy Morgan auf die Bühne, er ist im vergangenen Jahr bei einem Autounfall schwer verletzt worden. "Ich vermisse euch alle so sehr", sagt er: "Ich bin wieder da und stehe auf meinen eigenen Beinen." Es gibt stehende Ovationen für ihn.

Was bedeutet das alles?

Die Fernseh-Industrie setzt sich in diesem Jahr für Vielfalt, Toleranz und Umweltschutz ein, sie ist gegen Sexismus und Rassismus und damit automatisch auch gegen Donald Trump. Und sie mag ganz offensichtlich eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ganz besonders.

Ob all dieser Aktionen, Petitionen und Bekundungen findet sich die TV-Industrie richtig toll.

Und Andy Samberg als Moderator? Gescheitert oder schrecklich gescheitert?

Samberg hat witzige Momente, als er etwa sein Passwort für den Pay-TV-Sender HBO verrät, die Einspieler wie die Anfangssequenz und "I'd like to give the world an Emmy" sind unterhaltsam und sein Monolog zu Beginn bissig. Ansonsten verstrickt er sich aber in Blödeleien und plumpen Gags und wirkt arg nervös. Also: nur gescheitert - weshalb er noch einmal kommen darf.

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