Emmy-Awards:Heidi Klum und andere Albernheiten

Bei der Verleihung der US-Fernsehpreise gerieren sich manche TV-Sternchen wie Filmgrößen - und gehen dann entweder leer aus oder danken dämlich.

Sarah Stendel

Eine überdimensionale goldene Statue drehte sich im Glitzerregen, im Publikum gab es tiefausgeschnittene Dekolletés zu sehen und Tom Hanks hielt eine Dankesrede auf der Bühne: Zum 60. Mal sind in Los Angeles die Emmy-Awards der Fernsehindustrie verliehen worden - und wenn man nicht genau hinsah, hätte man sich auch bei der Oscarnacht wähnen können.

Von den einstudierten Teleprompter-Witzen über die mahnend einsetzende Streichermusik bei den Dankesreden bis hin zu den perfekt gestylten Haarfrisuren der Damen erinnerte alles an die Preisverleihung der Großen vom Film - und genau das war das Problem.

Das Fernsehen steht uns Zuschauern eigentlich näher als das Kino, schließlich holen wir die Programme und mit ihnen die Darsteller und ihre Charaktere direkt zu uns nach Hause ins Wohnzimmer. Man teilt Freud und Leid mit diesen Menschen und schaltet treu ergeben immer wieder ein.

Ernüchternde Erkenntnis

Und deshalb traf uns die Erkenntnis - auch wenn wir es eigentlich schon wussten - nach der ersten langatmigen Dankesrede stärker als bei den Oscars: Auch unsere Freunde von den heimischen Bildschirmen wollen im Grunde nur eines: sich ausgiebig und möglichst politisch korrekt selbst feiern.

Dazu nehme man Heidi Klum, nominiert in der neugeschaffenen Kategorie "Beste Moderation einer Reality-Show", und lasse sie gemeinsam mit ebenfalls nominierten Moderatoren drei Stunden lang albern sein - schließlich hatte sie das im Vorfeld schon angekündigt: "I'm up for goofy stuff" ("Ich bin für Albernheiten zu haben").

Also bediente Klum vom ersten Auftritt an die Model-Klischees, die man schon bei "Germany's Next Top Model" zusammen mit Gina-Lisa in den Kopf gehämmert bekommen hatte: lächeln, lächeln, lächeln und zwar mit möglichst wenig Stoff am Leib. Das ist nämlich Drama, Baby.

Funktioniert sehr gut im Fernsehgeschäft und wirkte zugegebenermaßen auch weniger verstörend als die wirre Dankesrede von Glenn Close, die ihren Emmy als beste Hauptdarstellerin in einer Dramaserie nicht einmal in die Hand nehmen wollte, sondern sofort mit verzerrtem Gesicht und zitternden Händen begann, ihre Dankesworte vom Papier abzulesen - man hat sie seit "Eine verhängnisvolle Affäre" nicht mehr so furchteinflößend gesehen.

Gedankt wurde jedenfalls sehr fleißig, dem lieben Gott, den Kollegen und - ja wirklich - dem absolut unglaublich amazing Sendeplatz. Das Fernsehen hat in den USA eben einen hohen Stellenwert.

Show und Politik

Die Los Angeles Times sprach im Vorfeld gar von einer Entscheidung, die der der Präsidentschaftswahlen gleiche: Zwischen alt und neu, zwischen verlockender Veränderung (Obamas vielzitiertem Change) und bewährter Erfahrung werde die Academy sich entscheiden müssen. Das Ergebnis könne viel über den derzeitigen Stand der Wertvorstellungen der Amerikaner aussagen.

Heidi Klum und andere Albernheiten

Nach dieser These würde also gelten, dass John McCain keine Folge von "Lost" verpasst und Anhänger der neuen Serien wie "Pushing Daisies" auf der Seite der Demokraten stehen. Klingt nach Heidi-Klum-Logik, doch ganz so einfach war es dann selbst in der Glitzerwelt des Fernsehens nicht: Die Show konnte sich der politischen Debatte nicht entziehen, es wurde fleißig zum Wählen aufgerufen und politische Kommentare wurden eifrig beklatscht.

Emmy-Awards: Alberne Selbstinszenierung: Ko-Moderator Tom Bergeron (l.) und Schauspieler William Shatner (r.) helfen Supermodel und Moderatorin Heidi Klum dabei, Bein zu zeigen.

Alberne Selbstinszenierung: Ko-Moderator Tom Bergeron (l.) und Schauspieler William Shatner (r.) helfen Supermodel und Moderatorin Heidi Klum dabei, Bein zu zeigen.

(Foto: Foto: AP)

Comedian und "The Daily Show"-Moderator Jon Stewart formulierte es treffend bei seiner Dankesrede für den Emmy für die beste Varieté-, Musik- oder Comedy-Serie: "Geht wählen! Ich freue mich auf die neue Regierung, egal wer es sein wird."

Tom Hanks konnte als Produzent der historischen Serie "John Adams", in der es um die Anfänge der USA und korrupte Politik geht, den Emmy für die beste Miniserie in Empfang nehmen. Er verließ die Bühne mit dem ironischen Kommentar: "In der Serie besteht Politik aus Lügen und Geldgeschäften - was sind wir doch weit gekommen seit damals!"

Schlechtes Material

Während letztes Jahr der Autorenstreik noch seine Schatten auf die Verleihung geworfen hatte, blieben dieses Jahr größere Skandale aus. Einzig Katherine Heigl, die letztjährige Gewinnerin in der Kategorie "Beste Nebendarstellerin in einer Dramaserie", hatte bereits vor der Veranstaltung für Aufsehen gesorgt, indem sie bekanntgegeben hatte, dieses Jahr freiwillig aus dem Rennen um den Emmy auszuscheiden.

Die "Grey's Anatomy"-Schauspielerin ließ verlauten, dass das Drehbuch-Material der vergangenen Staffel der Serie dafür nicht gut genug gewesen sei. Bei so viel zickigem Gehabe ließ es sich TV-Moderator Conan O'Brien nicht nehmen, einen Seitenhieb loszuwerden: "Ich wollte eigentlich noch mehr Witze machen aber Katherine Heigl hat gesagt, mein Material sei nicht gut genug für die Emmys."

Den Emmy für die beste Reality-Show-Moderation konnte am Ende doch nicht Heidi Klum sondern ihr Kollege Jeff Probst von "Survivor" mit nach Hause nehmen. Mach dir nichts draus Heidi, immer schön weiterlächeln, dann klappt es bestimmt das nächste Mal!

Beste Drama-Serie: "Mad Men" Bester Hauptdarsteller, Drama: Bryan Cranston, "Breaking Bad" Beste Hauptdarstellerin, Drama: Glenn Close, "Damages" Bester Nebendarsteller Drama: Zeljko Ivanek, "Damages" Best Nebendarsteller Drama: Dianne Wiest, "In Treatment" Beste Comedy-Serie: "30 Rock" Bester Hauptdarsteller, Comedy: Alec Baldwin, "30 Rock" Beste Hauptdarstellerin, Comedy: Tina Fey, "30 Rock" Bester Nebendarsteller, Comedy: Jeremy Piven, "Entourage" Beste Nebendarstellerin, Comedy: Jean Smart, "Samantha Who?" Beste Mini-Serie: "John Adams" Bester Hauptdarsteller Mini-Serie oder TV-Film: Paul Giamatti, "John Adams" Beste Hauptdarstellerin Mini-Serie oder TV-Film: Laura Linney, "John Adams"

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