"Emma" Film 2020 Kritik:Liebesplanspiele

Emma Film 2020 Anya Taylor-Joy

Emma (Anya Taylor-Joy, rechts) vertreibt sich die Zeit mit Kuppeleien.

(Foto: dpa)

Die amerikanische Regisseurin Autumn de Wilde hat eine unterhaltsame Neuverfilmung von Jane Austens Romanklassiker "Emma" gedreht.

Von Jan Jekal

Auf den ersten Blick scheint die Regisseurin Autumn de Wilde die falsche Frau für eine Jane-Austen-Verfilmung zu sein. Die 49-Jährige hat sich in den letzten Jahrzehnten vor allem als Fotografin der amerikanischen Indierock-Szene profiliert, hat mit Wilco und den White Stripes gearbeitet und ein Werk geschaffen, das eine Affinität für den englischen Realismus des frühen 19. Jahrhunderts nicht unbedingt vermuten lässt. Vielleicht ist es aber gerade de Wildes Distanz zu dem Stoff, die ihre "Emma"-Adaption ausmacht. In ihrer Kinoversion des Klassikers setzt sie sich mit Tempo und Witz über die Konventionen des Genres Weltliteraturverfilmung hinweg.

Die titelgebende Protagonistin, wunderbar entrückt gespielt von Anya Taylor-Joy, ist "schön, klug und reich" und lebt in einem Herrenhaus in Highbury, eine Stunde mit der Kutsche von London entfernt, das aussieht, als sei es von Wes Anderson eingerichtet worden. Die Zwanzigjährige bildet mit ihrem neurotischen Vater (Bill Nighy) eine schräge Wohngemeinschaft und vertreibt sich die Zeit mit dem Verkuppeln anderer Leute. Was soll man als junge Frau Anfang des 19. Jahrhunderts auch sonst machen, wenn man selbst keine Lust aufs Heiraten hat?

Ihr jüngstes Projekt: die unbedarfte Harriet Smith mit dem jungen Dorfpastor Mr. Elton zusammenzubringen. Dass Harriet den Bauern Mr. Martin vorziehen würde, ändert nichts an Emmas Vorhaben. Sie allein weiß, glaubt sie, was gut für die anderen ist, und deren Wünsche kann sie in ihren Plänen nicht berücksichtigen. Zumal ein Bauer in der rigiden Klassenstruktur des englischen Adels nun wirklich nicht als Ehemann infrage kommt.

Emmas Kuppeleien sind eine Art Lebensersatz; die Möglichkeit, Leben zu beeinflussen, ohne selbst am Leben teilzunehmen. Sie denkt über wenig anderes nach als über mögliche Paarbildungen, lässt das eigene romantische Leben unbeachtet. Ihren Schwager Mr. Knightley, der ihre Einmischungen spöttisch, aber mit offenkundiger Zuneigung beobachtet, nimmt sie gar nicht richtig wahr. Taylor-Joy bekommt pointiert alle Facetten der Figur zu fassen: die Blasiertheit, das Privileg, die Intelligenz, aber auch das Unreife und Unsichere. Sie ist kein wandelndes Kostüm, genauso wenig wie die anderen Figuren, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Sie hebt ihr Ringelblumenkleid hoch, um sich am Feuer den Hintern zu wärmen.

So konsequent stilisiert die pastellfarbene Süßwarenladen-Ästhetik des Films auch ist, de Wilde verfügt auch über ein ausgezeichnetes Gespür für die kleinsten emotionalen Bausteine einer Szene und nutzt die Stilisierung, um diese emotionalen Dynamiken herauszustellen.

Ihre Figuren sind unaufhörlich in Bewegung, eine elegante Choreografie des Bürgertums, welche die Regisseurin so weit wie möglich zuspitzt: Ständig wedelt jemand mit dem Fächer oder macht einen Knicks oder legt den Kopf schief oder wartet darauf, dass sich das Gegenüber setzt, um sich selbst setzen zu können, oder dass das Gegenüber trinkt, um selbst trinken zu können. De Wilde lässt zu diesen Spielchen Mozart und Haydn laufen, die Geschichte bekommt etwas Tänzerisches, die Figuren befinden sich mehr auf einer Bühne als in einem Gesellschaftskäfig.

Das Drehbuch der neuseeländischen Schriftstellerin Eleanor Catton lässt viele Dialogzeilen aus Austens Roman intakt. Eine naheliegende Entscheidung. Denn, frei nach einem Satz, der über Emma gesagt wird: Wozu der Versuch, etwas Perfektes zu verbessern? So gelingt de Wilde eine Adaption, die modern und stylish ist und zugleich ganz dem Geist der Vorlage entspricht.

Emma, GB 2020 - Regie: Autumn de Wilde. Buch: Eleanor Catton nach dem Roman von Jane Austen. Kamera: Christopher Blauvelt. Mit: Anya Taylor-Joy, Johnny Flynn, Bill Nighy. Universal, 125 Min.

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