Literarischer Marktplatz:Lese-Emirat Schardscha

In diesem kleinsten der sieben Emirate ist man besonders stolz auf seine kulturellen Errungenschaften, wie zwanzig große Museen und eine Buchmesse.

Von Moritz Baumstieger

Die Liste der Rekorde ist lang, mit denen sich die Vereinigten Arabischen Emirate schmücken: In Dubai stehen der höchste Wolkenkratzer und das größte Riesenrad. In der Scheich- Zayed-Moschee im benachbarten Abu Dhabi hängen der größte Kronleuchter und der größte Teppich. Die Großmannssucht könnte man belächeln, ist aber Teil einer Strategie: Dadurch, dass die sieben seit 1971 zu einem Staat zusammengeschlossenen Fürstentümer ihre Rohstoffeinnahmen in Rekordjagten investieren, werden sie international weit mehr wahrgenommen, als es ihre Größe und Lage eigentlich erlaubt - ökonomisch, touristisch und auch kulturell.

Im letztgenannten Bereich ist vor allem das Emirat Schardscha führend, das direkt neben den Glitzerfassaden Dubais liegt. In Schardscha ist man weniger auf gigantomane Indoor-Skihallen oder Shoppingmalls stolz. Sondern auf mehr als zwanzig große Museen, eine Buchmesse, die sich daran macht, die bislang größte Branchenveranstaltung der arabischen Welt in Kairo zu überflügeln - und ein breites Programm auch in der Kinder- und Jugendliteratur: Ende März überraschte das kleine Emirat die Gäste der internationalen Kinderbuchmesse in Bologna (s. SZ 29.3.) mit traditionellen Tänzen, veranstaltete als Ehrengast zudem Diskussionsrunden und Workshops und präsentierte gleich 17 ins Italienische übersetzte Kinderbücher aus dem eigenen Land. Die Messepräsentation reiste weiter zur Londoner Buchmesse - und von 11. Mai an lädt das Emirat zur 13. Ausgabe des Kinder-Lesefestivals ein. Elf Tage lang werden dann lokale und internationale Autorinnen und Zeichner auftreten, lesen und Workshops leiten.

Als reines Mäzenatentum ist diese Kulturförderung aber nicht zu verstehen - sie ist auch Investment

Dass das Emirat international durch Kulturförderung zu glänzen versucht (und gleichzeitig zuhause eine der konservativsten Gesellschaftsordnung der Emirate durchsetzt), geht auf das Staatsoberhaupt zurück, den am längsten amtierenden Herrscher der arabischen Welt. Bis er nach der Ermordung seines Vaters 1972 selbst zum Scheich von Schardscha wurde, war Sultan bin Muhammed al-Quassimi Bildungsminister. Sein Interesse für Kultur zeig sich darin, dass er unter den Herrschern der sieben Emirate der einzige ist, der, zum Beispiel in der heimischen Presse stets mit einem akademischen Titel genannt wird - zwei Doktorarbeiten hat er geschrieben, in der Folge mindestens 19 Ehrendoktorwürden angetragen bekommen.

Als reines Mäzenatentum ist diese Kulturförderung aber nicht zu verstehen - sie ist gleichzeitig Investment. Auch wenn die Geschäfte mit den Rohstoffen glänzend laufen, hat man in den Emiraten verstanden, dass das fossile Zeitalter zu Ende geht. Neben Messen für Kinder-, Jugend- und Erwachsenenliteratur hat die 2014 von der Regierung geschaffene "Shardjah Book Authority" eine "Publishing City" errichtet, eine Freihandelszone für Verlage und Buchgewerbe, mit Büro- und Lagerräumen und Druckereien, die - ganz unbescheiden - einmal zur Drehscheibe für den Buchmarkt weltweit werden soll. Wie in anderen "free zones" in den Nachbaremiraten locken unbürokratische Lizenzvergaben und Steuerfreiheit auch internationale Firmen - und, das ist in der Region eher seltener, Freiheit auch in inhaltlichen Fragen, Zensur findet nicht statt.

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