"Elysium" im Kino:Kampf ums Riesenrad

Elysium, Jodie Foster, Matt Damon

Matt Damon in "Elysium"

(Foto: Sony)

In "Elysium" prallen Matt Damon und Jodie Foster aufeinander: Regisseur Neill Blomkamp zeichnet in seiner Zukunftsparabel das Bild einer total verschmutzten, unterdrückten Erde, die gar nicht weit von der heutigen entfernt ist.

Von Martina Knoben

Wir schreiben das Jahr 2154. Die soziale Schere hat sich noch ein wenig weiter geöffnet und klafft nun bis zum Weltraum. Die Phrase von "denen da oben" darf man in Neill Blomkamps Zukunftsvision ganz wörtlich nehmen, haben sich die Superreichen doch von einer übervölkerten, verseuchten Erde verkrümelt, um fortan in Elysium zu leben - einer Raumstation in der Form eines Rades, das sich um die schmutzige Erde dreht. Es ist eine gated community vom Feinsten: ein Plastikparadies mit geschmacklosen, aseptischen Neureichenvillen, dazwischen viel Parklandschaft mit Swimmingpools und Golfplatzgrün. Wer sich dieser Insel der Seligen unerlaubterweise nähert, wird kurzerhand abgeschossen.

Es ist ein Sehnsuchtsort, von der Erde aus gesehen. Am Anfang fliegt die Kamera über Los Angeles, das sich als eine schier endlose Ansammlung elender Hütten präsentiert, mit wilden Hunden, viel Volk und offenem Feuer in staubigen Straßen. Die Umgangssprache ist Spanisch. Die Verwaltungsarbeit und auch die Polizeigewalt wurde weitgehend in die Hand von Robotern verlegt, die einem aufmüpfigen Arbeiter schnell mal den Arm brechen. Am Himmel patrouilliert die Staatsmacht in gepanzerten Raumschiffen. In den Überlebenskampf unten, die Bandenkriege, die alltäglichen blutigen Verteilungskämpfe der Armen wird sie nicht eingreifen.

Gedreht wurde der düstere Teil dieser Zukunftsvision in Mexico City - womit Gegenwart und Zukunft mit einem Schlag kurzgeschlossen wären. Das ist die Stärke dieses Films, dass viele Details erschreckend glaubhaft sind. Immerhin spricht auch heute schon ein Großteil von L. A. Spanisch und gelten nicht wenige Straßen von Mexico City als No-go-Areas. Schon Neill Blomkamps gefeierter Erstling "District 9" war ein Actionspektakel mit Botschaft und einem kräftigen Anker in der Realität: ein ätzendes, komisches und cooles Rassismus-Lehrstück, in dem insektenhafte Außerirdische den Part der Fremden spielten.

"Linke" und "rechte" Filmvorlieben

Auch in "Elysium" geht es nun wieder um Ausgrenzung, Verteilungsgerechtigkeit und Klassenkampf. Es ist eine stramm linke, leider immer wieder plakativ-naiv formulierte Message - die, das ist der besondere Reiz dieses Films, ein testosteron- und adrenalingetriebener Blockbuster transportiert. Das bringt "linke" und "rechte" Filmvorlieben zusammen. In den USA führte "Elysium" dieses Wochenende die Kinocharts an.

Das dürfte auch an Matt Damon liegen, der den Klassenkämpfer als proletarische Kampfmaschine spielt. In einer der Wellblechhütten wacht er auf, ein Mann mit rasiertem Schädel, tätowierter Haut und einer kriminellen Vergangenheit. Heute baut Max für einen Waffenkonzern jene Roboter zusammen, die ihn an der Bushaltestelle zusammenschlagen. Max wird verstrahlt bei einem Arbeitsunfall und hat nur noch fünf Tage zu leben. Seine einzige Chance ist Elysium, wo in jeder Luxusvilla auch ein Wunderheilungsapparat steht, der jede Verletzung und jede Krankheit mit ein paar Scan-Bewegungen wegzaubern kann.

Figuren zum Sympathisieren und Identifizieren

Hier bringt Blomkamp die cineastische Tradition düsterer Science-Fiction-Dystopien - John Carpenters "Die Klapperschlange" (1981), Richard Fleischers "Soylent Green" (1973) oder "Silent Running" (1972) von Douglas Trumbull - mit Elementen des Männer-Actionkinos zusammen. Der Mann aus Stahl wird buchstäblich zur Kampfmaschine umoperiert. Ein Exoskelett verleiht Max übernatürliche Kräfte, so schlägt und ballert er sich den Weg frei nach Elysium. Dabei hilft Max eine Schlepperbande; für sie soll er den Boss des Waffenkonzerns entführen und ihm geheimes Wissen über die Raumstation aus dem Hirn kopieren.

Der Plan stammt direkt aus dem Universum des Cyberpunk. Blomkamp feiert und zitiert - oft mit viel Ironie - Science-Fiction-Klassiker wie "Blade Runner", "Johnny Mnemonic", "Total Recall" oder "The Matrix", um ihre Elemente zu etwas ganz Eigenem zu amalgamieren.

Zur Botschaft des Filmes passt, dass der Cast sich nicht nur an den Vorlieben der Ersten Welt orientiert. Neben den Hollywood-Stars Matt Damon und Jodie Foster spielen zwei Schauspieler aus Brasilien wichtige Rollen: Alice Braga verkörpert Max' Jugendliebe Frey, die unbedingt mitmuss auf den Elysium-Trip; Wagner Moura ist Spider, der Chef der Schleuserbande, ein körperlich gehandicapter Hacker, der den Clash der Testosteron-Androiden schön nerdig ausbalanciert.

Jodie Foster: elitär und eisig

Es sind Figuren zum Sympathisieren und Identifizieren, auch die von Diego Luna, der ein Star ist in Mexiko und Max' besten Freund Julio spielt. Auch Sharlto Copley aus "District 9" ist wieder dabei, der Südafrikaner, der wie Blomkamp aus Johannesburg stammt, spielt einen psychopathischen Söldner mit dem bezeichnenden Namen Kruger.

Dieser Kruger und die von Foster verkörperte Sicherheitschefin von Elysium, Delacourt, sind Max' Gegenspieler. Während Kruger das Bild ungebändigter, wahnsinniger, triebgesteuerter Männlichkeit gibt, verkörpert Jodie Foster die ultraharte Mutter, die zum Schutz von Nest und Brut über Leichen geht. Elitärer und eisiger hat man Foster kaum je gesehen. Wobei sich ihre Logik nur schwer entkräften lässt. Wenn Sie ein Kind hätten, weist sie den schwachen, pseudoliberalen Präsidenten von Elysium zurecht - würden Sie dulden, dass Millionen von Einwanderern ihr Heim zerstören?

Elysium, USA 2013 - Regie und Buch: Neill Blomkamp. Kamera: Trent Opaloch. Schnitt: Julian Clarke, Lee Smith. Mit: Matt Damon, Jodie Foster, Sharlto Copley, Alice Braga, Diego Luna, Wagner Moura, William Fichtner. Verleih: Sony, 109 Minuten.

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