"Elvis" im Kino:Herz aus Holz

"Elvis" im Kino: Austin Butler als King in "Elvis".

Austin Butler als King in "Elvis".

(Foto: Warner)

Baz Luhrmann versucht mit "Elvis", dem "King of Rock'n'Roll" seinen Platz in der amerikanischen Popkultur zurückzugeben. Schöne Idee, aber viele Schnipsel sind noch kein Film.

Von Susan Vahabzadeh

Es ist erstaunlich, dass es nicht längst ein halbes Dutzend Elvis-Biopics gibt, immerhin gibt es im Netz, und das war bei seinem Ableben 1977 noch nicht einmal erfunden, bis heute Websites, die damit werben, von Elvis autorisiert zu sein - der "King" wird bis heute so regelmäßig gesichtet wie Ufos.

Nach der Kino-Wiederauferstehung von Freddie Mercury und dem Erfolg von "Rocket Man", über und produziert von Elton John, hat Baz Luhrmann nun die Lebensgeschichte von Elvis Presley exhumiert, erzählt aus der Perspektive seines Managers Colonel Tom Parker (Tom Hanks). Die Idee, die diesem Film zugrunde liegt, ist eigentlich schön: Von Elvis sind nur ein paar Songs übrig geblieben und die Vorstellung von einem Mann im Glitzeranzug, der ein paar Hamburger zu viel verspeist hat. Luhrmann versucht nun also, dem "King of Rock'n'Roll" seinen Platz in der amerikanischen Geschichte zurückzugeben.

Nur Fans des Luhrmann'schen Overkills werden mit diesem Film glücklich

Hüftspeck und Glitzer kommen bei Luhrmann so gut wie nicht vor, er beginnt die Geschichte mit Colonel Tom Parker, der sich an die Anfänge seines Schützlings erinnert, im tiefsten amerikanischen Süden, zur Zeit der Rassentrennung. Elvis Presley (Austin Butler) lebt mit seiner Familie in Memphis, Tennessee, und liebt die Musik der afroamerikanischen Blues-Bands, und dann bringt er selbst einen Saal zum Kochen. Colonel Tom Parker wittert die Chance seines Lebens und engagiert den Jungen. Er drängt ihn dazu einzulenken, wenn die Sittenwächter des Südens seinen Hüftschwung monieren und empört sind, dass er sich anzieht und spielt wie seine afroamerikanischen Vorbilder. Die Sittenwächter toben, Elvis muss seinen Militärdienst in Deutschland ableisten, lernt Priscilla kennen und erlebt bei seiner Rückkehr seine Wiedergeburt als Star, aber diesmal in einer seichten Fassung, und auch da hat Luhrmann natürlich irgendwie recht. Es gibt eine herrliche Szene aus einem seiner Filme nach der Rückkehr in die USA, "G.I. Blues", auf Youtube zu finden, Elvis, der in einem Kasperletheater eine Puppe ansingt, mit viel Schmelz und "Muss i denn zum Städtele hinaus". "Wooden Heart" hießt der englisch-deutsche Mischmasch als Single. Urkomisch, nicht unbedingt der Höhepunkt seines Einflusses auf die amerikanische Popkultur, aber unbedingt ein Stückchen Presley, dass einem Lust auf ein Elvis-Biopic machen würde.

Wie nun die Bigotterie gegen den Kulturschock Elvis vorgeht, wie ihn Parker behindert, zu einem braven Jungen macht, der dann als mittelalter Mann doch noch aufbegehrt: Das hätte eine spannende Geschichte sein können, auch wenn sie ganz so gar nicht passiert ist. Man muss nicht unbedingt die Priscilla-Presley-Perspektive des Films übernehmen, da kommt es einem manchmal so vor, als wäre Elvis, hätte ihn Colonel Parker nicht daran gehindert, höchstpersönlich beim Marsch auf Washington vorangegangen. Aber das Nebeneinander von Elvis, der den Erfolg schwarzer Musiker nun mal irgendwie erst ermöglicht hat, den Sittenwächtern und der Bürgerrechtsbewegung hat seinen Reiz. Leider muss man sie aber erst in einem Filmschnipselsalat freilegen, der aus zu kurz geratenen Szenen, Symbolen, Splitscreens und allerhand buntem Blödsinn besteht, der jeden Erzählfluss erstickt. Nur Fans des Luhrmann'schen Overkills werden damit glücklich. Der Film ist viel zu unkonzentriert, um irgendeinen Geist einzufangen - Elivs has left the building. Er ist nicht da. "Elvis" hat ein Herz aus Holz.

Die Musik, seine Geschichte, seine Figuren, alles hat Baz Luhrmann, der spätestens seit "Moulin Rouge" und "The Great Gatsby" für diese Methode berüchtigt ist, bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten. All shook up, würde Elvis sagen. Warum er nicht wenigstens ein paar der Musiknummern für sich sprechen lässt, wenn er Elvis doch als Künstler wahrnehmen will, das bleibt ein Mysterium. Als Drehbuch hat sich das vielleicht sehr interessant gelesen, was erklären würde, warum Tom Hanks Colonel Parker spielen wollte. Aber dabei herausgekommen ist ein ziemlich schrecklicher Auftritt. Tom Hanks als diabolischer Ausbeuter? Sein Colonel Parker, mit Sprachfehler und Nasenplastik, ist eher eine Nervensäge als ein charismatischer Bösewicht. Was nun Austin Butler betrifft: Der macht seine Sache ganz gut, aber so eindrucksvoll wie Rami Malek als Freddie in "Bohemian Rhapsody" ist er nicht. Vielleicht liegt das daran, dass seit 1977 Legionen von Elvis-Imitatoren an uns vorübergezogen sind. Jetzt ist es noch einer mehr.

Elvis, USA/Australien 2022, Regie: Baz Luhrmann. Kamera: Mandy Walker. Mit: Austin Butler, Tom Hanks, Olivia De Jonge. Warner, 159 Minuten. Kinostart: 23. Juni 2022.

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