Zum Tod von Elizabeth Wurtzel:Stilprägend für selbstironische Memoiren

Zum Tod von Elizabeth Wurtzel: Der größte Erfolg von Elizabeth Wurtzer war ihr autobiografisches Buch "Prozac Nation".

Der größte Erfolg von Elizabeth Wurtzer war ihr autobiografisches Buch "Prozac Nation".

(Foto: Courtesy of Riverhead/Penguin Random House via AP)

Mit ihrem Buch "Prozac Nation" nahm sie der Krankheit Depression das Stigma und erfand ein ganzes literarisches Genre. Nun ist die New Yorker Autorin Elizabeth Wurtzel gestorben.

Nachruf von Andrian Kreye

Elizabeth Wurtzel ist gestorben, die New Yorker Autorin, die 1994 als damals 27-Jährige mit ihrer halbliterarischen Autobiografie "Prozac Nation" zur Stimme der Generation X erklärt und dafür dann auch breitflächig angepflaumt wurde. Nimmt man sich die Kritiken von damals noch einmal als Paket vor, dann liest sich das jedenfalls wie ein "OK Boomer"-Urknall.

Wurtzel beschrieb in ihrem Buch Depressionen, die sie seit frühester Jugend quälten, die zu Drogenmissbrauch und einem ungesund ausschweifenden Liebesleben führten. Die Literaturkritik befand, Wurtzel sei selbstmitleidig, narzisstisch, verwöhnt und überschätzt. Einzig die damals schon gefürchtete Buchvernichterin Michiko Kakutami von der New York Times erkannte ihr Potenzial. Sicher, auch sie schrieb, man möchte die Autorin bei der Lektüre hin und wieder "schütteln und sie daran erinnern, dass es Schlimmeres gibt, als während der Siebziger in New York aufzuwachsen und in Harvard zu studieren".

Kakutami erkannte aber auch, was aus "Prozac Nation" im Rückblick ein so stilprägendes Buch machte - Wurtzels Talent, ihren Narzissmus selbst zu durchschauen, ihr Selbstmitleid in Selbstironie aufzulösen und mit einem solch befreienden Humor und einer solch sprühenden Prosa zu schreiben, dass die Weinerlichkeiten in den Hintergrund rückten. Unzählige Nachahmerinnen und Nachahmer solch selbstironischer Memoiren gab es seither in der Literatur und im Journalismus. Manchen gelang diese Gratwanderung auch. Wurtzels größtes Verdienst aber war, der Krankheit Depression und vor allem ihrer medikamentösen Behandlung in Amerika das Stigma zu nehmen (das titelgebende Medikament Prozac beschrieb sie als ihre Rettung).

Nach ihrem gefeierten Debüt schrieb sie noch ein feministisches Manifest mit dem Titel "Bitch", ein Buch über ihre Drogensucht, die aber nicht an den Erfolg ihres Debüts anschließend konnte. Später schrieb sie dann ebenso schonungslos über ihre Krebserkrankung, an deren Folgen sie nun in Manhattan gestorben ist. Sie wurde 52 Jahre alt.

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