Elektronische Musik:Krauts mit Attitüde

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Was Eigenes: Compost-Records-Gründer Michael Reinboth. (Foto: Ralf Dombrowski)

Das Münchner Label Compost Records von Michael Reinboth feiert sein 20-jähriges Bestehen

Von Ralf Dombrowski, München

Berlin war die Ansage. Die Metropole lockte zur Jahrtausendwende mit der Aura des Aufbruchs und einige folgten dem Ruf, DJ Hell etwa, der sein Label International Deejay Gigolos mitnahm, oder auch Monika Kruse, Urgestein der Ultraschall-Ära. Michael Reinboth und Compost Records aber blieben in München. Umziehen hätte keinen Sinn gehabt, schließlich hatte der DJ, Produzent und Plattensammler seine norddeutsche Heimat verlassen, gerade weil ihm der soulige Bodensatz des Südens gefallen hatte: "München war für meinen Musikgeschmack eine der besten Städte in Deutschland. Hamburg hatte den Mojo-Club, war aber ansonsten Hip-Hop und Autoren-Pop. In Berlin lief einiges Independent, aber ansonsten blieb die Adresse München."

Das hatte seine Gründe: "Hier gab es Fritz Egner, Thomas Gottschalk und Fredy Kogel, die großen Radio-DJs, die nur Black Music spielten. Hier waren die Black Music Nights richtig erfolgreich. Ich habe mich in München immer wohl gefühlt", sagt Reinboth. 1982 kam er in die Stadt, fand ad hoc seinen Platz am Pult im Café Größenwahn, wurde drei Jahre lang Haus-DJ im P 1 noch zu Zeiten von Hansi und Inge Grandl, denen er bald darauf ins Park Café folgte. Weitere Stationen waren Negerhalle, Wolkenkratzer, Babalu, Szeneläden, denen der Zugereiste seinen Rare-Groove-Stempel aufdrückte. Denn die pure Mucke interessierte ihn nicht. Reinboths Welt waren die Mischungen, für die er Reihen wie die "Into Something"-Nächte kreierte: "Wir haben damals Hybrid-Musik gespielt. Hip-Hop ja, aber eher jazzy, House ja, aber mit souligen, krautigen, auch folkigen Elementen. Das war das Markenzeichen von Into Something und das wurde auch die Idee hinter Compost Records".

Nach einem guten Jahrzehnt an der Nightlife-Front war klar, dass Reinboth Eigenes machen wollte. Compilations hatte er bereits für andere entwickelt, "Krauts with Attitude" zum Beispiel für Virgin, die erste Zusammenstellung mit deutschem Hip-Hop überhaupt. Und in England gab es Vorbilder, an denen er sich orientieren konnte, Gilles Peterson etwa mit Talkin' Loud, die Teams um die Labels MoWax oder Ninja Tune. Hierzulande jedoch war noch Neuland zu erkunden und so ging Compost Records im Oktober 1994 mit "A Forest Mighty Black" an den Start. Die Szene horchte auf, klopfte dem Start-Up auf die Schulter und es ging weiter mit Beanfield, Trueby Trio, Fauna Flash, Jazza-nova, schließlich Koop, dem erfolgreichsten Projekt. Eigene Compilation-Reihen entstanden, wie "Future Sounds Of Jazz" oder "Gluecklich" von Rainer Trüby, die Firma nahm Fahrt auf, boomte, kollabierte, als 2003 der internationale Vertrieb Konkurs anmeldete, und überlebte in Zeiten, da viele Konkurrenten längst historisch sind. "Wir haben wirklich Grund zum Feiern", meint Reinboth und erzählt vom mit Musik gespickten Buch, das als 500. Compost-Produktion zum 20-Jährigen erscheint, aber auch von den jungen Fans, die nach dürren Zeiten im Anschluss an die Vertriebspleite inzwischen die Lager mit den Label-Raritäten leerkaufen.

Die Jammertäler sind durchschritten, schon schwirren neue Ideen für die Zukunft durch den Raum: "Es gibt noch Marktlücken, zum Beispiel guter elektronischer Ska. Ich könnte mir auch vorstellen, mal etwas nur mit Piano oder ein krasses Folk-Album mit ein paar elektronischen Ziseleien zu machen", sagt Michael Reinboth. Perspektiven für ein Münchner Label mit Fans in aller Welt, auch unter den Künstlern. Denn zur Compost Night in der Muffathalle haben sich Gilles Peterson aus England ebenso angesagt wie Felix Laband aus Südafrika oder Kalabrese aus der Schweiz. Christian Prommer ist dabei, außerdem Osunlade, Hendrik Schwarz, Rainer Trueby, MC Earl Zinger und zahlreiche weitere Gäste. Mehr Clubbing geht kaum.

20 Jahre Compost Records , Freitag, 22. Mai, 21 Uhr, Muffatwerk, Zellstr. 4

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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