Eklat bei der "Berliner Zeitung":"Treten Sie zurück!"

Die Mitarbeiter proben einen offenen Aufstand gegen die Chefs der Berliner Zeitung: Sie seien "entweder nicht willens oder nicht in der Lage", die Redaktion zu lenken.

Christopher Keil

Der Donnerstag dieser Woche war der Tag, an dem die Journalisten der Berliner Zeitung die schärfste Form des Widerstandes vor der kollektiven Arbeitsniederlegung wählten. Als der britische Investor David Montgomery 2005 beim Berliner Verlag einstieg, hatten die Mitarbeiter vor dem Werkstor im Schatten des Fernsehturms am Alexanderplatz gegen den Einfall der Heuschrecke protestiert. Im Mai 2006 wurde Josef Depenbrock Chefredakteur, im Sommer 2007 auch noch Geschäftsführer des Berliner Verlages - ein unglaublicher Stilbruch in der Architektur ernst zu nehmender Zeitungen, wo Redaktion und Verlag vorsätzlich getrennt sind. Der Redaktionsausschuss hat deswegen eine Feststellungsklage vorbereitet, um die unrühmliche Konstruktion juristisch prüfen zu lassen.

berliner zeitung depenbrock

Soll gehen: Chefredakteur Josef Depenbrock.

(Foto: Foto: dpa)

An diesem Donnerstag nun teilte der leitende Redakteur Ewald B. Schulte (Wirtschaft) der erstaunten Runde zunächst mit, dass er das Blatt verlassen werde. Weil Schulte Vorsitzender des Redaktionsausschusses ist, handelt es sich um keine normale Personalie. In den zurückliegenden Wochen hatte es vermehrt Kündigungen gegeben.

Lange gedemütigt und nichts mehr zu verlieren

Die Redaktionskonferenz diskutierte, so schildern es Anwesende, heftig über die Zukunft der Berliner Zeitung, über die gestiegenen Rendite-Ziele des Besitzers Montgomery, von 20 Prozent war wohl die Rede. Depenbrock soll bestätigt haben, dass die Lage schwierig sei, dass weiter gespart werden müsse und mit weiterem Stellenabbau zu rechnen sei. Innerhalb der kommenden zwei Wochen werde man allerdings klarer sehen.

Klar war danach nur, dass für 12 Uhr eine außerordentliche Redaktionsvollversammlung einberufen wurde, eine zweite fand gegen 15.30 Uhr statt. Die Kritik an Depenbrock schwoll offenbar zu einem Sturm der Entrüstung. Der Zeitung fehle die klare Führung und dem Montgomery-Chefredakteur die verlegerische Idee.

Bis zum Nachmittag formulierte der Redaktionsausschuss zwei Briefe im Namen der "Redaktion der Berliner Zeitung". Der eine soll Depenbrock persönlich überreicht worden sein. Darin heißt es: "Nach fast zwei Jahren Ihrer Amtsführung haben sich alle unsere Befürchtungen bestätigt. Sie sind entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die Redaktion angemessen" zu lenken. (. . .) "Herr Depenbrock, wir haben das Vertrauen in Sie verloren. Treten Sie zurück."

Der andere ist an David Montgomery adressiert, Mecom Group, 70 Jermyn Street, London. Der Finanzmanager wird aufgefordert, seine "aktuelle Geschäftspolitik zu überdenken". Es müsse in die Marke Berliner Zeitung investiert werden, das Blatt brauche eine langfristige, publizistisch sinnvolle Geschäftsstrategie. "Sollte Mecom außerstande sein, eine solche Strategie vorzulegen", müsse im "Interesse der Zeitung und ihrer Leser nach einem neuen, geeigneten Eigentümer" gesucht werden.

Montgomery hat nun ein Problem mehr: eine lange gedemütigte Redaktion, die nichts mehr zu verlieren hat und deshalb aufsteht. Dass seine Strategien offensichtlich nicht mehr hoch im Kurs stehen, musste der Brite neulich an der Börse erfahren. Die Mecom-Aktie stürzte an einem Januartag in die Tiefe. Im Juli 2007 stand das Papier noch bei 1,46 Euro, mittlerweile notiert es bei ungefähr 34 Cent. Vielleicht muss man das Zeitungmachen schätzen, um damit Geld zu verdienen.

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