Süddeutsche Zeitung

Einspruch I:Politisch offen

Joseph Beuys' in Italien entstandene Werke belegen seine Suche nach einer politischen Position. Doch Kontakte zu linken Gruppierungen Italiens werden von Hans Peter Riegel ausgeblendet.

Von Petra Richter

Joseph Beuys' 1981 in Rom und Neapel entstandene Werke "Terremoto" und "Terremoto in Palazzo" zeigen nicht nur eine politische Offenheit des Künstlers, sondern belegen auch seine in den Siebzigerjahren erfolgte Suche nach einer politischen Position. Dass Beuys bereits Ende 1969 den Verleger Gabriele Mazzotta bat, ihm die Protagonisten der italienischen 68er-Bewegung vorzustellen, zeugt von einem frühen Interesse für linke Positionen. Darauf verweisen auch die 1974 in die Installation "Zeige deine Wunde" integrierten Exemplare der Zeitung Lotta Continua . Doch Kontakte zu linken Gruppierungen Italiens werden in der Biografie von Hans Peter Riegel ausgeblendet. Dabei nahmen an dem Jahreskongress der FIU (Free International University) in Kassel 1977 während der Documenta auch Vertreter der Kommunistischen Partei Italiens teil. Beuys entwickelte gerade im Umfeld von linken Denkern, im Kontakt mit sozialistischen und kommunistischen Gruppen seine soziale Utopie.

Die Entstehung der Installation "Terremoto" im Guggenheim-Museum wäre ohne die Freundschaft zu Intellektuellen wie Checco Zotti und Adriano Sofri nicht erfolgt. Trotz Beuys' Ablehnung der marxistischen Klassenkampftheorie hatte ihre Suche nach gesellschaftspolitischen Lösungsansätzen seine Aufmerksamkeit geweckt. Als Lotta Continua in finanzielle Schwierigkeiten geriet, half Beuys 1981 durch den Erlös des Verkaufs von "Terremoto", einem Werk, das im Kontext des verheerenden Erdbebens steht, das 1980 die Region um Irpinia (Campania) verwüstet hatte. Zudem verfasste Beuys 1981 für die neapolitanische Zeitung Il Mattino den Text "Einige Aufforderungen und Fragen an den Palast im menschlichen Kopf", in dem er die unhaltbaren sozialen und politischen Zustände des Mezzogiorno beschrieb und die aus seinem Kunstbegriff resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen erläuterte.

In den neun Jahren seiner künstlerisch-politischen Aktivitäten in Italien bewahrte sich Beuys auch angesichts der problematischen gesellschaftspolitischen Wirklichkeit des Mezzogiorno die Überzeugung, dass das Ästhetische aus sich selbst heraus bewusstseinsverändernd und deswegen weltverändernd sein könne. Er sah seine künstlerische Arbeit "im Schaffen von Modellen, nicht in praktischen Resultaten". Der Mensch zerstöre sich selbst durch einen seelenlosen Materialismus und Egoismus, er könne sich aber auch selbst wiederaufrichten, denn er habe die Kraft zur Selbstbestimmung.

Petra Richter hat über Joseph Beuys promoviert und forscht zu seinem Werk.

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SZ vom 16.05.2018
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