Süddeutsche Zeitung

Einkassierte Echo-Nominierung für Frei.Wild:Provokanter Patriotismus

Ihre Songs triefen vor Heimatliebe, gleichzeitig distanzieren sich Frei.Wild vom Rechtsextremismus. Erst waren sie für den Echo nominiert, dann flogen sie raus. Doch warum?

Von Antonie Rietzschel

Diese Referenz ist kein Ruhmesblatt. "Die sind zu 80 Prozent bei uns", so lautet das Urteil des NPD-Funktionärs Patrick Schröders über "Frei.Wild". Als deren aktuelles Album "Feinde deiner Feinde" im Oktober 2012 erschien, bewarb der Politiker es auf seiner eigenen Internetseite. Mittlerweile hat sich die Platte mehr als 100.000 mal verkauft und die Deutschrockband wurde für den Musikpreis "Echo" nominiert.

Doch nach Protesten der Bands Kraftklub und Mia strich die Deutsche Phono-Akademie Frei.Wild überraschend von der Nominiertenliste. Kurz zuvor hatten die Echo-Ausrichter noch argumentiert, sie könnten die Nominierung nicht rückgängig machen, weil dafür allein die Verkaufszahlen ausschlaggebend seien. Nun heißt es, der Echo solle nicht zum Schauplatz einer Debatte um das Thema der politischen Gesinnung einer Band werden.

Trotz der Fürsprache durch einen NPD-Funktionär ist die Frage, ob Frei.Wild tatsächlich als rechtsextrem einzustufen sind, nicht ohne Weiteres zu beantworten. Sänger Philipp Burger, der die Band gemeinsam mit dem Gitarristen Jonas Notdurfter 2001 in Südtirol gründete, war in seiner Jugend rechtsextrem und spielte in der Skinhead-Band Kaiserjäger. Er engagierte sich in der Partei "Die Freiheitlichen", einer Art Südtiroler Schwesterpartei der rechtspopulistischen FPÖ. Burger hat sich allerdings von seiner Vergangenheit distanziert, aus der er keinen Hehl macht.

Frei.Wild bezeichnen sich selbst als unpolitisch doch ihre Texte sind von übertrieben wirkender Heimatliebe geprägt. So singt Burger in dem Lied "Südtirol": "Ja unser Heimatland, es ist so wunderschön, das kann man ja an unseren Bergen sehn, sie ragen stolz zum Himmel hinauf, schon unsre Ahnen waren mächtig stolz darauf." In einem anderen Song heißt es: "Das ist das Land der Vollidioten, die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat."

Die Melodien sind beliebig, setzen sich aber fest. Die Texte sind so einfach, dass man sie wie beim Après-Ski auch noch nach ein paar Bier mitsingen kann. Dass sie Begriffe wie "Heimat" und "Patriotismus" in ihren Liedern inflationär verwenden, schieben die Mitglieder der Band auf ihre Herkunft ab: "Wir kommen aus Südtirol, da bedeutet das etwas Positives - weit weg von irgendwelchen stumpfen Parolen", sagte Burger vor einem Konzert in München im Gespräch mit Süddeutsche.de.

Protest bei Auftritten

Die Band wird nicht müde zu betonen, dass sie sich klar von rechtsextremem Gedankengut distanziert habe. Dabei verweisen Frei-Wild etwa auf die Aktion "Flagge zeigen gegen Extremismus", die gemeinsam mit Fans ins Leben gerufen wurde. Auch habe man das Sicherheitspersonal angewiesen, Konzertbesucher nach Hause zu schicken, die rechte Symboliken tragen.

Dennoch beschreibt der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Thomas Kuban die Band als "neues Phänomen des Rechtsrocks". Frei.Wild treten bei ihren Konzerten teilweise vor 12.000 Menschen auf - und dort schlägt ihnen mittlerweile scharfer Protest entgegen. Lokalmedien berichten kritisch, linke Gruppen organisieren Demonstrationen. Auf einem Konzert in Dortmund war sogar der Verfassungsschutz da. Mitte Februar zogen Frei.Wild ihre geplante Teilnahme am Metal- und Hardcore-Festival "With Full Force" in der Nähe Leipzigs zurück, nachdem Sponsoren ihre Unterstützung für die im Juni angesetzte Veranstaltung storniert hatten.

Die Band inszeniert sich als Opfer einer Hetzjagd durch die Medien. Journalisten würden versuchen, der Band "auf Biegen und Brechen den Garaus zu machen", sagte Burger Süddeutsche.de. Mittlerweile betreibt die Gruppe eine Internetseite, auf der sie die Macht der Medien aus ihrer Sicht beschreibt. Artikel über Frei.Wild werden in zwei Kategorien eingeteilt: "Wahrheit zählt" und "Schlagzeile zählt".

Die engsten Verbündeten der Band sind ihre Fans, die vor allem männlich und zwischen 16 und 19 Jahren alt sind. "Aus Freund wurd Feind. Leckt uns am Arsch. Doch wir bleiben vereint", so lautet eine Textzeile - doch sie ist auch so etwas wie das gemeinsame Glaubensbekenntnis der Anhänger.

"Dann lasst sie doch!"

Auf Konzerten sind sie uniform in die Frei.Wild-Kollektion gekleidet. Auf der Brust oder dem Rücken prangen die provokanten Sprüche der Band: "Halt die Schnauze" oder "Öffne ihnen die Augen". Manche tragen Shirts von den Böhsen Onkelz', als deren Nachfolger sie gelten. Vereinzelt tauchen auch Pullover mit Frakturaufschriften auf, das Eiserne Kreuz oder Thors Hammer, Symbole, die gelegentlich in Neonazikreisen gebraucht werden.

Jennifer Rostock hatten vor kurzem per Facebook erklärt, dass sie in Zukunft keine Pullover mehr von Frei.Wild oder den Böhsen Onkelz auf ihren Konzerten sehen wollen. Ein Shitstorm im Netz war die Folge. Mehr als 6000 Kommentare liefen auf. Anhänger der Bands schrieben, die Deutschen seien selbst schuld, wenn sie Begriffe wie Heimatliebe sofort mit Rechtsextremismus gleichsetzen würden. Und wenn sie tatsächlich rechtsextrem sein sollten, "dann lasst sie doch! Jeder hat das Recht auf seine eigene politische Meinung", lautete ein Eintrag.

So überlassen es Frei.Wild auch den Fans, die Echo-Absage zu kommentieren, während sie selbst ein abgeklärtes Statement abgeben: "Wir wünschen allen verbleibenden Bands viel Spaß und freuen uns auf die Tour. Danke dennoch jedem einzelnen für eure Unterstützung. Zum Glück haben wir noch keine Flüge gebucht", heißt es auf der offiziellen Facebookseite.

Ihre Anhänger sprechen stattdessen von einer "Hexenjagd" und geben den Medien die Schuld. Andere hetzen auf Facebook gegen Bands, die mit dem Boykott der Echo-Preisverleihung gedroht hatten. Doch statt das auf der Seite der deutschen Band Mia. zu tun, erwischten viele Frei.Wild-Fans die Seite der britischen Sängerin M.I.A. Ob die mit Begriffen wie "Vollidioten" oder "Zeckenband" etwas anfangen kann?

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