Eine kleine Nachtkritik:Auf Biegen und Brechen

Wer bisher geglaubt hat, Uri Geller wäre skurril, kennt noch nicht diejenigen, die seine Nachfolge antreten wollen: "The next Uri Geller" auf Pro Sieben.

Ruth Schneeberger

Beginnen wir mit dem abgedrehtesten Fall: Vincent Raven, 41. Der Mann ist mit einem weiblichen Raben verheiratet und bezeichnet sich selbst als "Rabenvater". Mal abgesehen davon, dass dies doch recht wirre Familienverhältnisse sind, trägt der wild gelockte Hüne zur Feier des Tages sein langes Schwarzes und hat seine Holde gleich mitgebracht: Rabe Corax zählt blutjunge 23 Lenze und ist nach Vincents Aussagen "sehr eifersüchtig", kann dafür aber Verbindung mit dem Jenseits aufnehmen.

Wer nun meint, die Programmverantwortlichen bei Pro Sieben seien verrückt geworden, kann beruhigt werden: Die Sendung "The next Uri Geller", die am Dienstagabend startete, ist ein Format, das bereits in USA, Kanada und Israel ausgestrahlt wurde - und außerdem war es längst an der Zeit, den weltbekannten Löffelverbieger Uri Geller mal wieder aus der Versenkung zu holen.

Ihm wurde angeblich schon nachgewiesen, dass er Zaubertricks von Cornflakesverpackungen bezieht und seine Löffel manipuliert. Das eigentliche Phänomen besteht darin, dass dieser Zauberkünstler wider jeglicher Vernunft alle paar Jahre erneut von sich reden macht und ein Publikum anzieht wie kaum ein anderer.

Da liegt es nahe, dass es eine Menge mehr oder weniger junger Menschen gibt, die verrückt genug sind, in die Fußstapfen des 61-jährigen Altmeisters der Magie treten zu wollen - vor allem, was den Erfolg angeht. Für 100.000 Euro, die der Gewinner nach neun Sendungen erhält, finden sich also nun genügend Interessenten, die sich vor laufender Kamera tot stellen, mit gefährlichen Messern hantieren oder mit Tieren sprechen.

Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sie der menschliche Verstand je erfassen kann. Und genau wie sich vor 100 Jahren noch kein Mensch eine Erfindung wie das Handy hätte erdenken können, so werden in weiteren 100 Jahren vermutlich Dinge möglich sein, die heutzutage wegen Unglaubwürdigkeit nicht mal zur schlechtesten Sendezeit im Privatfernsehen eine Chance hätten.

Der schlechteste Trick?

Mit ähnlicher Gewissheit aber gehören zwei Menschen nicht zu jenen Auserwählten, die Zugang zu einer anderen Welt haben, sondern eher zu den Tricksern, die nur das Publikum zu täuschen vermögen, das unbedingt an Zauber glauben will: Vivian Sommer und Olaf Kohrs, die verliebtesten Mentalisten des bunten Abends auf Pro Sieben.

Der glänzende Nasenring der ungewöhnlich rothaarigen Dame, die angeblich durch Telepathie mit den Augen ihres Liebsten sehen kann, und die dicken Manschettenknöpfe ihres Partners lassen schon an Böses im Sinne einer heimlichen Kamera denken. Doch die Hobby-Zauberer dieser Welt diskutieren auf der Homepage von Pro Sieben direkt nach der Sendung schon fleißig über den schlechtesten Trick und klären auf, dass diesem eine einfache Zahlenkombination zugrunde liege, die "Meister" Olaf seinem "Medium" Vivian in verschlüsselten Worten übertrage.

(Über-)natürlich findet Uri Geller Gefallen an genau diesen beiden Kandidaten - und auch daran, dass nicht nur Männer verzaubern können. So nimmt er dem Publikum die Möglichkeit, das unglaubwürdigste Kandidatenpaar aus der Sendung zu wählen, indem er von seinem Vorrecht Gebrauch macht, seinem Favoriten den Weg zur nächsten Runde zu ebnen. Ausgerechnet das schlechteste "Mentalisten"-Paar ist damit dem Sieg ein Stück näher.

Dabei hätte es einen echten Sieger des Abends gegeben: Den 31-jährigen Nicolai Richter, der zwischen den Stargästen Sonya Kraus und Jürgen Vogel eine angeblich telepathische Verbindung herstellte. Die ließ sie mit verbundenen Augen spüren, an welchen Körperstellen er ihn berührte.

Das Einfachste ist eben doch manchmal das Beste, und so könnte man in diesem Fall fast beinahe jegliche augenscheinliche Manipulation ausschließen, bis auf diese eine - aber die würde bedeuten, dass nicht nur die "rationale" Sonya Kraus, sondern auch der grandiose Jürgen Vogel von Pro Sieben manipuliert worden seien - und an so viel Unehrlichkeit mögen wir verzauberten Seelen dann doch nicht glauben.

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