Einbürgerungsfeier in Dresden:Wenn Clown August den Luftballon nicht teilen will

"Die deutsche Sprache hat Ihre Identitäten erweitert!", "Seien Sie Brückenbauer!": Mit solchen Sätzen wurden neueingebürgerte Deutsche auf einer Feier im Dresdner Landtag begrüßt. Zu welchen skurillen bis heiklen Momenten es bei Rotkohl und Klößen kam.

Burkhard Müller

Im vorigen Jahr wurde 911 Menschen ausländischer Herkunft im Freistaat Sachsen die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen. Etwa zweihundert von ihnen haben die Einladung angenommen, dieses Ereignis mit einer Feier im sächsischen Landtag zu begehen. Es sprachen der Vizepräsident des Landtags, der sächsische Innenminister und der Ausländerbeauftragte des Freistaats. Die Gäste bekamen zu hören: "Sie haben Erfolgsgeschichte geschrieben!" "Seien Sie Brückenbauer!" "Die deutsche Sprache hat Ihre Identitäten erweitert!" "Sie können sich auf Deutschland verlassen!" In einer Willkommensgesellschaft seien sie angelangt. Eine besondere Empfehlung galt dem Ehrenamt, etwa bei der Feuerwehr. Man müsse sich bei den entsprechenden Vereinen nur melden! Zwei Redner zitierten John F. Kennedy: Frag nicht, was dein Land für dich tut, frag, was du für dein Land tun kannst. Das war einmal zu viel.

Sebastian Krummbiegel von den "Prinzen" setzte sich ans Klavier und gab einen "musikalischen Vortrag", in dem er bedauerte, dass im selben Hause, wo man sich jetzt zum Feiern treffe, unter der Woche auch Nazis säßen; er sprach sich für eine "Nation der Liebenden" aus. Dann spielte er ein Stück der "Comedian Harmonists", von einem kleinen bisschen Glück auf der Welt irgendwie, irgendwo, irgendwann; dann Lieder von Udo Lindenberg, in denen es ebenfalls um das Paradies ging, aber auch um einen fünfzehnjährigen Jungen in der Ferne, der unbedingt nach Deutschland will und im Gefängnis landet; Lieder, in denen sich "Sex habm" auf "sich am Text labm" reimte. Familienbilder wurden geschossen, ein etwa fünfjähriges chinesisches oder vietnamesisches Mädchen ließ sich, rücklings über das Geländer der Besuchertribüne gebeugt, lachend von ihrem Papa fotografieren, ein Umrissbild vor der Elbe, die direkt vor der Glaswand des Landtags vorbeifließt.

Darauf kam der auch bei Zusammenkünften von Alt-Inländern immer etwas heikle Moment, wo die Nationalhymne gesungen wird. Alle standen auf, als die Dresdner Pianistin Thuy My Pham die Melodie anstimmte, fast alle sangen mit. Es begann sehr leise, schwoll aber bis "Blüh im Glanze dieses Glückes, blühe, deutsches Vaterland!" kontinuierlich auf zuletzt mittlere Lautstarke an. Ein halbes Dutzend kleiner schwarz-rot-goldener Fahnen wurde geschwenkt, alle von Kinderhänden. Das wäre ein guter Punkt gewesen, um zu enden. Doch es gab noch eine allegorische Clowns-Nummer, "typisch deutsch": Clown August will seinen blauen Luftballon mit niemandem teilen, der Ballon platzt, August ist untröstlich, da kommt das Mädchen Elisa und beschert ihm einen neuen, viel größeren für beide, und alles wird gut. Auf einmal springen viele schwarze, rote und gelbe Ballons ins Plenum, und das Publikum startet mit ihnen ein improvisiertes, schwereloses Ballspiel. Beim anschließenden Imbiss herrschen Gulasch, Geschnetzteltes, Rotkohl, Klöße und Kartoffeln vor. An diesem Tag steht, wie ein Redner es ausgedrückt hatte, nicht der lange Weg, sondern das endlich erreichte Ziel im Mittelpunkt. Ganz am Schluss steigen vor dem Landtag noch einmal Luftballons in die warme Juniluft empor.

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