Einblicke in das Leben von Daniel Craig:Ein Mann, kein Wort

Schweigsam und prinzipientreu: Daniel Craig hat die Geheimhaltung seines Privatlebens zum Markenzeichen erhoben. Auch persönlich strahlt er die Haltung von Härte und Undurchdringlichkeit aus, mit der er die Kunstfigur 007 fulminant neu definierte. Über die Instinkte eines Charakterdarstellers.

Roland Huschke

Alles könnte so schön sein. In der Ferne wiehern Pferde, gelegentlich knattert ein Traktor vorbei, und wenn nicht ein Haufen internationaler Reporter durch die Gegend tigerte, dann würde gar nichts die Idylle des Luxusresorts "Paws Up" im US-Bundesstaat Montana stören. Wer hier Urlaub macht, zahlt ab tausend Dollar aufwärts die Nacht und kauft sich dafür authentisches Wildwestgefühl von Freiheit und Frühstück am Fluss.

Cowboys And Aliens - UK Film Premiere

Er versucht so wenig wie möglich über seine Person preiszugeben: Für Daniel Craig lauern überall "Spione".

(Foto: Getty Images)

Doch Daniel Craig muss arbeiten. Warum er hier ist, obwohl sein neuer Film "Cowboys & Aliens" komplett in New Mexico gedreht wurde, weiß er auch nicht. Ist vermutlich auch egal. Tische mit Mikrofonen sehen vor jeder Kulisse gleich aus. Vor ein paar Tagen war er für Filmwerbung im mexikanischen Cancún. Danach geht es auf Europatour, die ihn auch zur obligaten Premiere in Berlin führen wird. Doch die Grundsituation ist aus Daniel Craigs Perspektive überall identisch: Spione, so weit das Auge reicht.

Der osteuropäische Journalist zum Beispiel, der ihn gerade beim Print-Interview heimlich filmen wollte. Oder die Damen vom Fernsehen, die vormittags mit durchsichtigen Tricks versuchen, verbotene Fragen nach seiner neuen Ehefrau einzuschmuggeln. Angeblich habe er wutentbrannt alle Termine absagen wollen. Aber irgendwann setzt er sich dann doch, verschränkt die Arme vor der Brust, lässt die Sonnenbrille auf der Nase. Man hört: "nice to meet you". Und die Botschaft lautet: Komm du mir heute nicht auch noch dämlich.

Erwischt man Craig in einem missmutigen Moment, ist es am besten, die Phantasie spielen zu lassen und eine Privatvorstellung von James Bond höchstselbst zu bestaunen. Das Knurren in der Stimme, die latente Aggressivität, der Panzer rund um sein Innenleben. Daniel Craig kann jederzeit auch persönlich die Haltung von Härte und Undurchdringlichkeit ausstrahlen, mit der er die Kunstfigur 007 fulminant neu definierte.

Es sind Craigs eigene Abwehrmechanismen. Lange geschult vor dem Durchbruch als Weltstar, der selbst in kleinen chinesischen Dörfern von jedem erkannt wird. Als rohes Sexsymbol, dessen Bauchmuskeldefinition manche Zuschauerin zum heimlichen Bondgirl machte. Craigs Regeln sind einfach: Alles Private bleibt tabu. Das behaupten zwar viele, doch kein Kollege der A-Liga zieht die Grenzen enger als Craig. "Es ist eine Grundsatzentscheidung, die ich getroffen habe, bevor ich von der Schauspielerei leben konnte", erklärt er. Ich habe nie über meine Familie oder über Frauen in meinem Leben gesprochen. Und ich werde es auch nicht tun, nur weil möglicherweise mehr Menschen neugierig auf mich geworden sind. Ganz im Gegenteil spüre ich, dass ich mich mit den Jahren immer mehr verschließe, um nicht wahnsinnig zu werden."

Plötzlicher Abbruch

Deutliche Worte, und eine provozierende Außenwirkung nimmt er billigend in Kauf, ohne dass es böse oder persönlich gemeint zu sein scheint. Bei einer früheren Begegnung kurz vor seinem Start in die Bond-Stratosphäre kam das Gespräch einmal auf die Struktur seines Deals für die 007-Serie. Höflich begann Craig zu erklären, wie das Gagenniveau im Erfolgsfall stetig steigen würde - bis er sich schließlich abrupt unterbrach und schimpfte, wie unhöflich die Frage sei, in England rede man nicht über Geld. Später entschuldigte sich Craig dann souverän für den Ausbruch und ärgerte sich eher darüber, dass er kurz vertraulich geworden war. Wie beim Plaudern im Pub klang er da, selbst staunend, was da auch an Lohn für seine Arbeit zu erwarten ist und wie sehr das seine eigene Vorstellungskraft überfordert.

Geschnatter im Keim ersticken

Doch genau derlei Einblicke möchte Daniel Craig nicht in der Zeitung lesen, so vage sie letztlich bleiben, um dann in den nächsten achthundert Interviews nicht wieder darauf angesprochen zu werden. Also spricht er über Regisseure, Rollen, Projekte. Viel Gesprächsstoff - nach "Cowboys & Aliens" stehen die US-Verfilmung von Stieg Larssons "Verblendung", der nächste Bond-Film und ein Thriller mit Leinwandpartnerin Rachel Weisz ins Haus. Auch der Name der Oscar-Preisträgerin bleibt beim Termin in Montana tabu. Drei Wochen ist Craig zu diesem Zeitpunkt mit Weisz verheiratet, die Meldung kam überraschend nach einer langjährigen Beziehung mit der Produzentin Satsuki Mitchell.

Jedes Geschnatter über die Hintergründe im Keim zu ersticken, darin sieht sich Craig nur bestätigt angesichts des Abhörskandals in England. "Ich habe es immer gewusst und diesen Jungs nicht mal den kleinen Finger gegeben." Tatsächlich, so staunte jüngst der Esquire, "ist Craig so gut beim Untertauchen, dass nicht einmal die Jagdhunde des britischen Boulevards je zu ihm durchdringen konnten." Glaubt man dem Kollegen Mark Strong ("Robin Hood"), der Craig als Paten eines seiner Kinder wählte, verbirgt sich hinter der Mauer des Mysteriösen ein unkorrumpierbarer Kumpel, der den FC Liverpool liebt, das anonyme Trinken in Pubs vermisst und leidenschaftlich Politik diskutiert. Was man eben so sagt über beste Freunde, die man nicht als Filmstars wahrnimmt.

Dabei verstehen wenige auf der Leinwand so punktgenau klassisches Filmstar-Charisma zu dosieren wie Craig. Zweifel, dass er als Engländer überhaupt einen harten Westernhelden spielen könne, widerlegt er nun in "Cowboys & Aliens" mit einer kraftvollen Darstellung, die nur auf das Nötigste reduziert ist. Wenige Worte, sparsame Gesten, kurze Blicke aus übernatürlich blauen Augen im verdreckten Fremder-ohne-Namen-Gesicht - wie bei Bond zweifelt man keine Sekunde an der Autorität dieses Mannes.

Auch wenn Craig an empfindlichen Flops beteiligt war ("Invasion", "Der goldene Kompass"), hat er es als erster Darsteller noch in der aktiven 007-Zeit geschafft, nicht von der Überfigur Bond geschluckt zu werden. Mit den Instinkten eines Charakterdarstellers und den Wahlmöglichkeiten eines Stars sucht er Projekte, die seinen Stärken entsprechen. Filme über schweigsame, prinzipientreue Männer, die ihr Leid herunterschlucken und sich nicht in die Karten blicken lassen. Außer von einer schönen Frau, na gut. Und Zufall ist es sicher nicht, dass sich Craig bei der Wahl seiner Waffen in der öffentlichen Selbstdarstellung nahtlos einreiht in diese Galerie. So bleibt das Geheimnis seiner Figuren auch gewahrt, wenn er sie längst gespielt hat.

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