Ein Aufsatz:Mann im Mond

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Eine kleine Geschichte und Theorie der "Fake News" als Medienkritik schreiben die Historiker Volker Barth und Michael Homberg.

Von Johan Schloemann

Die Wissenschaften laufen Donald Trump hinterher. Zum einen tun sie es ganz allgemein, indem sie ihre Objektivitäts-, oder viel besser: Falsifikationsstandards gegen seinen Antiintellektualismus und gegen alternative Fakten verteidigen. Das ist ehrenwert, droht aber in Form von Wissenschaftsmärschen und Appellen einem plumpen Positivismus Vorschub zu leisten: Die Wissenschaft weiß immer die Wahrheit!

Zum anderen analysiert man im Einzelnen, was am Politikstil des erstaunlichen amerikanischen Präsidenten besonders, neu oder nicht so neu ist. Germanisten untersuchen Trumps Tweets, so etwa Peter Strohschneider neulich in der Zeitschrift für Ideengeschichte. Sprachpsychologen zeigen, wie böse Worte von Populisten unbewusst hängen bleiben - das ist das rhetorische Emotionsmanagement, das seit Aristoteles bekannt ist, aber neuerdings von "Framing"-Experten erklärt wird. Die Kulturtheorie erinnert an den "autoritären Charakter" der Frankfurter Schule, der durch das Bündnis von Massenpsychologie, Faschismus und Unterhaltungsindustrie mobilisiert wird - diese Bemühungen hat Jonathan Catlin, Doktorand in Princeton, im Blog des Journal of the History of Ideas nützlich resümiert. Shakespeare-Forscher wiederum durchleuchten die Figur des kindischen, aber skrupellosen Tyrannen, und so weiter.

Da darf die Mediengeschichte nicht fehlen. Die Historiker Volker Barth und Michael Homberg, die in Köln und Berkeley arbeiten, haben über die Wahrheitsfrage in der modernen Pressegeschichte jeweils Monografien geschrieben, Tagungen veranstaltet und jetzt den Aufsatz "Fake News. Geschichte und Theorie falscher Nachrichten" veröffentlicht (Geschichte und Gesellschaft, 44. Jahrgang, Heft 4). Allzu viel Theorie enthält der Beitrag zwar nicht, dafür aber eine gut geordnete Übersicht der gezielten Unwahrheiten in der Massenpresse seit etwa 1830.

Obwohl Donald Trump den Begriff der "Fake News" den "klassischen" Medien entgegen- und damit auch auf seine eigene politische Kommunikation zurückwirft, muss man, so warnt der Aufsatz, zwischen Propaganda (vom Typ: Alle Einwanderer aus Südamerika sind Drogendealer) und Falschnachrichten unterscheiden. Im 19. Jahrhundert wuchs die Presse massiv und suchte ihre Bestimmung zwischen Information und Unterhaltung. Fakes, also aufwendige Zeitungsenten, wurden damals eingesetzt, um die Konkurrenz auszustechen oder um ein Experiment mit dem Vertrauen des Publikums anzustellen.

Mit solchen Falschmeldungen - und ihrer Aufdeckung - reagierten die neuen Massenmedien einerseits auf wachsende Korrektheitsanforderungen innerhalb des Nachrichtenjournalismus selbst, andererseits auf Beglaubigungsstrategien aus den ebenfalls aufstrebenden Wissenschaften. Dieses Erbe erkennen wir heute gut wieder: Unsinn, auch von Algorithmen verbreiteter, muss immer "wissenschaftlich" wirken und mit Zahlen und Fundstellen versehen sein.

Der berühmteste Fall des 19. Jahrhunderts ist der "Moon Hoax", in dem ein Reporter der New York Sun 1835 von Leben auf dem Mond berichtete - eine Idee, die er wiederum dem Schauerdichter Edgar Allan Poe geklaut hatte. Donald Trump hätte diese Geschichte garantiert geglaubt. Entgegen der Mär von der Postmoderne, die erst alle Werte durcheinandergebracht habe, gab es die Fake News, wie der Aufsatz von Barth und Homberg ausführt, als "Formen der Medienkritik lange vor den 1970er-Jahren".

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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