Eichingers Lebenswerk:Der Bernd

Übervater, Kommerzkönig, tyrannischer Tycoon: Bernd Eichinger erhält den Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk. Anlass für Doris Dörrie zu erzählen, warum ihr der Bernd schon immer grundverdächtig war.

Übervater, Kommerzkönig, tyrannischer Tycoon: Bernd Eichinger erhält den Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk. Anlass für Doris Dörrie zu erzählen, warum ihr der Bernd schon immer grundverdächtig war. Lesen Sie hier Auszüge aus dem Text in der SZ am Wochenende vom 17.4.2010.

Den Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie wird am kommenden Freitag Bernd Eichinger bekommen. Ich höre ihn schon husten. Die Deutsche Filmakademie hat es nie fertiggebracht, ihren Begründer angemessen für einen seiner Filme auszuzeichnen, und heftet ihm jetzt den Ehrenpreis an die Brust. Das wirft ein ziemlich mieses Licht auf uns, seine Kollegen, und ist gleichzeitig sehr erhellend. Es beschreibt den Eichinger-Faktor. Jeder, der Kinofilme macht in diesem Land, muss sich anscheinend an ihm abarbeiten.

Eichinger ist Mainstream

Er ist der Übervater, der Kommerzkönig, der tyrannische Tycoon, der Mogul. Jeder hat eine Meinung zu ihm, dem Bernd, Bernie, dem Eichinger, - und dabei funktioniert er verlässlich als Lackmus- Test für die Filmemacher in diesem Land und die Frage: Wie viel Erfolg mit welchen Filmen erträume ich mir? Will ich im Mainstream schwimmen oder nicht? Wo dieser vielbeschworene Strom genau fließt, wissen dabei seltsamerweise immer nur die Nichtschwimmer, aber ein Fakt für alle scheint zu sein: Eichinger ist Mainstream.

Das macht ihn grundverdächtig, denn Mainstream bedeutet Erfolg, und Erfolg ist gleichzusetzen mit kommerzieller Kacke, Korruption, künstlerischer Katastrophe. Die fünf verhängnisvollen Ks für den deutschen Filmemacher, der sich primär als Künstler sieht. Er möchte zwar gern die tollsten Semmeln backen, aber wenn sie weggehen wie warme Semmeln, hätte er den Massengeschmack getroffen und dann wären sie Mainstream, und das wäre der Untergang. Noch so ein erfolgreicher Film vom Eichinger. Also will der deutsche Filmemacher keinen Erfolg? Doch, schon, aber mit Filmen, die nicht alle gut finden und die nicht von jedem Trottel gesehen werden.

Die Neugier war groß

Wenn Eichinger einen Film produziert, droht die Möglichkeit, dass ihn jeder Trottel sehen möchte. Die zweite, grässliche Gefahr, die bei Kontakt mit ihm unausweichlich zu sein scheint wie eine fiese Viruserkrankung, ist die der Korruption. Sein Ziel ist es - da sind sich vor allem die ganz sicher, die ihn nicht kennen -, junge talentierte Filmemacher zu verbiegen, zu korrumpieren und in den Mainstream zu werfen, dass sie darin umkommen.

Als ich 1987 einen Film mit ihm gedreht habe, der "Ich und Er" hieß, war ich auch fest davon überzeugt und hatte den Filmtitel insgeheim für mich schon umbenannt in "Ich oder Er".

So beschreibt Doris Dörrie ihre ersten Zusammentreffen:

Er hielt sich vorwiegend im "Schumanns" in der Maximilianstraße auf, und ich im "Stop In" in der Türkenstraße. Diese Welten waren unvereinbar. Zu groß allerdings war meine Neugier, also schlich ich doch ab und zu ins Schumanns, sah DEN BERND von hinten an der Bar stehen, trank Wasser auf dem Klo, weil die Drinks doch sehr teuer waren, und bemühte mich, totally cool und unnahbar auszusehen, womit ich Erfolg hatte, denn es näherte sich niemand. Vor allem nicht DER BERND.

In den folgenden Jahren musste allerdings auch ich lernen, dass das Filmemachen ohne Geld schwer möglich ist, es sei denn, man kratzt in Heimarbeit 24 Bildchen pro Sekunde mit der Stecknadel aufs Zelluloid. Ich hatte das Glück, drei enthusiastische Produzentinnen und ihre Firma Olgafilm zu finden, die sich auf der Suche nach Geld für meine Filme sogar in die Höhle des Löwen trauten, zu Bernd Eichinger in die Constantin Film.

Über ihn und seine Firma kursierten damals schon die seltsamsten Gerüchte. Alle Frauen, die dort arbeiteten, hieß es, müssten Stöckelschuhe und Dekolleté tragen - das machte die Constantin zumindest für Männer zu einem wahrhaft mystischen Ort.

Lesen Sie auf Seite zwei wie "der Bernd" versucht hat, Dörrie um den Finger zu wickeln, nachdem ihm ihr Film "Männer" gefallen hatte.

"Dem hast du's aber gegeben!"

Er lud mich in "sein" Restaurant, das "Romagna Antica" ein, an dem ich bisher immer nur vorbeigeradelt war, aber dennoch seinen Platz am Fenster rechts kannte. Dort saß ich jetzt also, benebelt vom goldgelben Dekor, der Farbe des Goldes, alle meine Antennen waren weit ausgefahren, es drohte höchste Gefahr: Korruption, Verbiegung, künstlerischer Ruin. Bernd lud mich zu teurem Essen und teurem Wein ein, was ich, die Wohngemeinschaftsschinkennudeln gewöhnt war, wunderbar fand, aber ab und zu verschwand ich auf dem Klo, um meine Handgelenke unters kalte Wasser zu halten, um ja nicht den Kopf zu verlieren und mich an den Kommerz, also an Bernd, zu verkaufen.

Als er mir tatsächlich einen unvorstellbar lukrativen Vertrag für meine nächsten Filme anbot, lehnte ich postwendend ab, radelte nach Hause und fühlte mich arm, unbestechlich und großartig. Meine Wohngemeinschaft applaudierte: Dem Eichinger hast du's aber gegeben!

Beschämend einfach

Er hat wahrscheinlich nur laut gelacht, denn er lud mich wieder ein und schickte dieses Mal seinen schwarzen Mercedes mit Fahrer. Ich erinnere mich genau, wie ich aus der Haustür trat und nach oben schaute, um ja nicht von einem Mitbewohner dabei erwischt zu werden, wie ich in diese Limousine des Verrats stieg. Und dann glitt ich durch die Münchner Nacht über die glitzernde Maximilianstraße und fühlte mich high vor Aufregung und verwandt mit Bob Dylan und allen anderen Größen des Show- und Filmbusiness, die vor mir auf Rücksitzen von schwarzen Limousinen gesessen hatten.

Bernd machte mir ein Angebot für einen Film nach dem Roman "Io e Lui" von Alberto Moravia, der den Konflikt zwischen einem Mann und seinem Penis beschreibt. Ich dachte, nee, is nich für mich, aber Bernd sagte sehr, sehr oft: Das ist genau das Richtige für dich, meine Freunde schrien unisono: TU ES NICHT!, als habe er mich aufgefordert, Selbstmord zu begehen, und ich zierte mich und zickte und sagte schließlich doch zu.

Warum? Es war beschämend einfach: Ich wollte so schrecklich gern zurück nach Amerika, nach New York, meine Freunde dort wieder sehen, Bagel mit Lachs essen und am Sonntag über die Brooklyn Bridge laufen. Ein Ticket konnte ich mir im Leben nicht leisten, ein Hotelzimmer schon gleich gar nicht.

Der Grundkonflikt des Mannes

Jetzt durfte ich Business-Klasse fliegen, manchmal sogar erste Klasse, wo ich all den Kaviar, den sie an Bord hatten, aufaß, und gleichzeitig behielt ich meine Erdmann-Lederjacke an und fühlte mich wie ein Rockstar. Natürlich hatte ich mir aufs feinste zurechtgebastelt, warum ich diesen Film doch machen wollte: als Aufforderung zur Anarchie, politische Fabel, Underground-Komödie. Oder so ähnlich. Mit ganz vielen Zuschauern natürlich. Um vorsätzlich keinen erfolgreichen Film machen zu wollen, dazu war ich bereits zu amerikanisiert.

Wir wohnten im Chateau Marmont, Bernd im Dachgeschoss und ich darunter, von seiner Wohnung aus sah man direkt auf den Marlboro Mann, und wir rauchten unter seinem Blick wie die Teufel und stritten uns bis aufs Blut. Wir führten die bescheuertsten Diskussionen um den Mann und seinen Penis, den amerikanischen, den deutschen, auch seinen, und mein tiefes Unverständnis über den anscheinend hochdramatischen Grundkonflikt des Mannes. Bernd wollte einen großen Film machen, ich einen kleinen.

Das Filmprojekt gestaltete sich äußerst schwierig - darüber, wie es später mit den beiden weiterging schreibt Doris Dörrie:

Wir haben beide gelernt, denn nach ein paar Jahren Funkstille hat er für mich "Bin ich schön?" produziert und andere Filme, die nicht unbedingt seine Art von Filmen waren. Aber er hatte Respekt vor mir, und ich konnte ihm plötzlich zuhören und schätzen, dass sein Ziel immer dasselbe ist: einen guten Film zu machen, den alle sehen wollen. Den Wolpertinger der Filmindustrie. Wie der genau aussieht, darüber lässt sich endlos streiten. Aber er wird auch endlos dafür und darüber streiten. Er ist sogar bereit, immer wieder den Lieblingsfeind abzugeben, ganz so, wie es Frank Zappa gesagt hat: Der Boss ist immer das Arschloch. Und alle fallen drauf rein. So wie ich damals.

Sein Ehrenpreis ist also in Wirklichkeit ein Preis dafür, dass er es aushält, seit Jahrzehnten den Buhmann abzugeben. Auf dass wir weiterhin so tun können, als interessiere uns Erfolg nicht, als seien wir unbestechlich, als seien wir tatsächlich stolz auf Filme, die von Kritikern abgeschleckt, aber von sonst keinem Schwein gesehen werden.

Die Kugel ist aus dem Lauf. Du bekommst den Ehrenpreis, ob du willst oder nicht, lieber Bernd. Herzlichen Glückwunsch! Und: what the fuck!

Bernd Eichinger, geboren 1949, produzierte nach dem Besuch der Münchner Filmhochschule zunächst Autorenfilme. 1979 übernahm er die Leitung der Neue Constantin Film, die sowohl mit internationalen Großproduktionen wie "Der Name der Rose" und "Das Geisterhaus" als auch mit deutschen Komödien Erfolge feierte. Eichinger schreibt auch Drehbücher, die er selbst produziert, unter anderem "Der Untergang", "Das Parfum" und "Der Baader Meinhof Komplex". Die von ihm mitbegründete Deutsche Filmakademie vergibt seit 2005 den Deutschen Filmpreis.

Doris Dörrie inszeniert seit 1976 Filme für Kino und Fernsehen. Ihren ersten großen Erfolg feierte sie mit "Männer". Es folgten bei Publikum wie Kritikern Anerkennung findende Werke wie "Bin ich schön?", "Nackt" und "Kirschblüten-Hanami". Aktuell läuft ihr Film "Die Friseuse". Die Verleihung des Deutschen Filmpreises wird am 23. April von 21.45 Uhr an in der ARD übertragen.

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