Süddeutsche Zeitung

Ehrung:Die Sippe bleibt frei von Schmach

Lesezeit: 2 min

Jens Harzer nimmt im Wiener Burgtheater den Iffland-Ring entgegen. Er wird seinem Vorgänger immer ähnlicher. Findet Peter Handke.

Von Wolfgang Kralicek

Die Verleihung des Iffland-Rings ist kein Akt ungetrübter Freude. Immerhin muss ja erst jemand sterben, damit es dazu kommen kann. Die dem "bedeutendsten und würdigsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters" verliehene Auszeichnung wird vom Ringträger selbst weitergegeben - in Form einer testamentarischen Verfügung. Zuletzt war der im Februar gestorbene Bruno Ganz Träger des Rings gewesen; einen Monat nach dessen Tod wurde bekannt gemacht, dass er zu seinem Nachfolger Jens Harzer bestimmt hatte.

Der vom deutschen Schauspieler August Wilhelm Iffland (1759-1814) gestiftete Ring ist nicht nur mit Brillanten besetzt, sondern auch von Legenden umrankt. Eine davon besagt, dass Iffland sieben Ringe verteilt und - wie in Lessings Ringparabel - nicht dazugesagt habe, welcher der echte ist. Man kann dennoch davon ausgehen, dass es der echte Iffland-Ring war, der am Sonntag im Wiener Burgtheater, genau um 12.02 Uhr mittags, an Jens Harzer überreicht wurde. Die eingespielte Video-Collage aus Aufführungen mit dem heute 47-jährigen Harzer enthielt auch eine Szene aus der einzigen Inszenierung, in der der alte und der neue Iffland-Ring-Träger gemeinsam auf der Bühne standen: In Botho Strauß' Odyssee-Drama "Ithaka", 1996 an den Münchner Kammerspielen, spielte Ganz den Odysseus und Harzer dessen Sohn Telemach. "Ich werde meiner Sippe keine Schmach bereiten!", verspricht der Junge dem Alten.

Peter Handke, in dessen Dramen "Immer noch Sturm" und "Die schönen Tage von Aranjuez" Jens Harzer tragende Rollen spielte, verwies in seiner Laudatio darauf, dass Ganz und Harzer nicht nur schauspielerisch vom selben Schlag seien. "Es ist erstaunlich, wie Jens Harzer dem Bruno Ganz mit der Zeit immer ähnlicher schaut." Das Wesen seiner Schauspielkunst fasste Handke mit der Abwandlung eines Satzes zusammen, der ursprünglich für den Fußballer Günter Netzer formuliert wurde: "Jens Harzer kommt aus der Tiefe des Raumes." Der als zweiter Festredner aufgebotene Regisseur Johan Simons, der mit Harzer zuletzt bei den Salzburger Festspielen Kleists "Penthesilea" inszenierte, beschrieb einen Schauspieler, der perfekt vorbereitet auf die Probe komme und sich gleichwohl das Staunen eines Kindes bewahrt habe.

Seit 1954 befindet sich der Iffland-Ring im Besitz der Republik Österreich, die Überreichung nahm der für Kunst und Kultur zuständige Minister Alexander Schallenberg vor. Anstelle einer Dankesrede las Jens Harzer mit seiner glasklaren, weichen Stimme die Erzählung "Unverhofftes Wiedersehen" von Johann Peter Hebel vor. Sie handelt von einem jungen Bergmann, der kurz vor der Hochzeit bei einem Grubenunglück ums Leben kommt. Fünfzig Jahre später wird sein perfekt konservierter Leichnam zutage gefördert, zur großen Freude seiner inzwischen steinalten Braut, die zeitlebens um ihn getrauert hat. Man kommt in diesem Zusammenhang nicht umhin, die Geschichte als eine Art Ringparabel zu lesen: Auch beim Iffland-Ring geht es ja darum, dass die Toten in den Lebenden weiterleben. Weshalb auch ein trauriger Anlass ein Grund zum Feiern sein kann.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4488216
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.