Ehemalige Kinderstars:Für immer Kind

Einmal "Anna", immer "Anna": Die verstorbene Schauspielerin Silvia Seidel wurde ihr Leben lang auf ihre große, prägende Rolle festgelegt. Auch die Schicksale anderer ehemaliger Kinderstars zeigen, wie stark früher Erfolg das Erwachsenenleben unter Druck setzen kann.

Felicitas Kock

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Silvia Seidel

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Einmal "Anna", immer "Anna": Die verstorbene Schauspielerin Silvia Seidel wurde ihr Leben lang auf ihre große, prägende Rolle festgelegt. Auch die Schicksale anderer ehemaliger Kinderstars zeigen, wie stark früher Erfolg das Erwachsenenleben unter Druck setzen kann.

Als Balletttänzerin Anna (im Bild mit Jon Peterson als David Segal) begeisterte Silvia Seidel im Jahr 1987 Millionen Fernsehzuschauer. Bereits drei Jahre zuvor, mit 14, hatte sie für  "Die unendliche Geschichte" zum ersten Mal vor der Kamera gestanden. In "Anna" spielte die 17-Jährige eine vorübergehend gelähmte Ballerina, die sich mit harter Arbeit, viel Charme und Lebensfreude wieder zurück auf die Bühne kämpft. Nach dem sensationellen TV-Erfolg wurde die Geschichte auch für das Kino verfilmt, Seidel erhielt die Goldene Kamera und wurde mit dem Bambi ausgezeichnet. Doch danach ...

Silvia Seidel gestorben

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... wurde es still um die Schauspielerin. "Nach Anna stand ich unter Schock, wie nach einem Unfall. 15 Jahre hat es gedauert, bis ich aufgewacht bin. Ich habe einen Großteil meines Lebens damit verbracht, 'unberühmt' zu werden", sagte Seidel dem Magazin Bunte in einem Interview 2007. An ihren einstigen Erfolg konnte sie nie wieder anknüpfen. Ein Schicksal, das sie mit vielen anderen Kinderstars teilte.

Im Bild: Silvia Seidel als Nicole Hensel in einer Komödie, 2009.

Pippi Langstrumpf mit Herrn Nilsson

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Zum Beispiel mit Inger Nilsson. Fünf Jahre lang spielte die Schwedin den von Astrid Lingren erdachten rothaarigen Wirbelwind Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminza Efraimstochter Langstrumpf. Die bärenstarke "Pippi" war die Rolle ihres Lebens - und es sollte die einzig wirklich wichtige bleiben. "Sie sind der Star unserer Kindheit, und dabei muss es bleiben", bekam Nilsson nach eigener Aussage zu hören, wenn sie sich bei Regisseuren bewarb. In einem Interview mit dem Stern klagte sie darüber, dass "alle ewig über die alten Zeiten reden möchten". Sie selbst wolle dagegen "eine normale Person sein, nicht wie irgendein Ex-Fußballspieler, der noch Jahrzehnte später ständig auf den einen verschossenen Elfmeter angesprochen wird".

Inger Nilsson wieder in 'Der Kommissar und das Meer'

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Dass sie nach "Pippi" nicht abstürzte, verdankte Nilsson möglicherweise ihrer Entscheidung, sich zunächst von der Schauspielerei abzuwenden und stattdessen einen anderen Berufsweg einzuschlagen. Sie musste Geld verdienen, ihre Paraderolle hatte ihr außer vorübergehender Berühmtheit kaum etwas eingebracht. Zwar übernahm sie weiterhin kleinere Theaterrollen, hauptsächlich arbeitete sie jedoch als Sekretärin. Erst im Jahr 2000 tauchte sie wieder in einer TV-Nebenrolle auf - in der Verfilmung des Tucholsky-Romans "Gripsholm". Seit 2007 steht Nilsson wieder regelmäßig vor der Kamera und ist als Gerichtsmedizinerin in der ZDF-Krimireihe "Der Kommissar und das Meer" zu sehen.

Auf dem Foto: Inger Nilsson 2009

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Ein weiterer Star, dessen Berühmtheit sich bereits vor dem Erreichen des 20. Lebensjahrs verflüchtigte: "Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen" schallte es Ende der sechziger Jahre aus den Radios der Nation. Die Stimme hinter dieser berühmten Zeile gehörte Hendrik Nikolaas Theodoor Simons alias Heintje. Der Junge mit dem spitzbübischen Blitzen in den Augen rührte vor allem weibliche Fans zu Tränen und verkaufte weltweit 40 Millionen Platten. Doch mit dem Stimmbruch kam auch der Karriereknick: Den pubertären Heintje mochte niemand mehr hören.

Heintje spielt 1969 an der Seite von Peter Alexander (im Bild rechts) in dem Publikumserfolg "Hurra, die Schule brennt!"

Hein Simons

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Trotz des Stimmbruchs und seines eher mäßigen Erfolgs machte Heintje weiter. In den Nullerjahren veröffentlichte das ehemalige Wunderkind jedes Jahr ein Album - unter dem Namen "Hein Simons". Doch bis dahin war es ein weiter Weg. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel gab Simons zu, das Heintje-Image habe ihn im Erwachsenenalter zunächst genervt, erst nach vielen Jahren habe er seinen Frieden damit gemacht.

Ein Friede, der ihm noch immer Geld einbringt. "Heute schreiben die cleveren Veranstalter Hein 'Heintje' Simons aufs Plakat", erklärte der Sänger - vom Erfolg vergangener Tage lässt sich also noch immer zehren. Der Titel seiner letzten Platte klingt versöhnlich: "Alles halb so schlimm" heißt es da. Simons ist einer der wenigen Kinderstars, der bis heute von seinem früher verdienten Geld leben kann. "Ich hatte Bombenverträge, ich habe ausgesorgt. Aber es ist mein Beruf, ich singe gerne, ich sitze auch zu Hause jeden Tag mit meiner Gitarre und singe. Wenn ich auf eine Bühne trete und spüre, die Menschen mögen mich - dafür tue ich das."

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Weniger in sich ruhend gibt sich Radost Bokel, 1986 berühmt geworden mit der Rolle des wilden Lockenkopfs "Momo". Immer wieder versuchte die Schauspielerin in den vergangenen Jahren, ins Rampenlicht zurückzukehren. Gerade einmal elf Jahre alt war das Mädchen mit den großen braunen Augen, als sie für die Verfilmung von Michael Endes Kinderbuch-Klassiker besetzt wurde. Mit rußbefleckten Wangen spielte sie sich in die Herzen ihrer ebenfalls recht jungen Bewunderer. Danach folgten Rollen in zwei weiteren Kinofilmen und mehreren TV-Produktionen - doch an "Momo" konnte nichts heranreichen.

Auf dem Foto: Radost Bokel im März 1987 als Momo in München.

´Bild": Radost Bokel geht ins RTL-Dschungelcamp

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Am Beispiel Radost Bokels zeigt sich einmal mehr, wie schwer der Kampf ist, den ehemalige Kinderstars im Erwachsenenalter häufig zu kämpfen haben. Radost Bokel versuchte sich nicht nur in weiteren Fernsehrollen. Sie veröffentlichte auch eine Single, die jedoch floppte und zog sich für verschiedene Männermagazine aus. 2012 war Bokel wieder im Fernsehen zu sehen: im RTL-Dschungelcamp.

Im Bild: Radost Bokel 2008 in Frankfurt.

KELLY GESCHWISTER MAITE UND PADDY

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Vergangenheit ist auch der Ruhm der Kelly Family. In den neunziger Jahren tourte die Großfamilie durch die Welt, spielte in vollen Hallen und verkaufte Millionen Alben. Doch bereits zur Jahrtausendwende war der Erfolg der langhaarigen Geschwister zusammengeschrumpft. Einzelne Bandmitglieder starteten Soloprojekte. Nicht so der zweitjüngste Sohn Paddy, der vom Leben in der Öffentlichkeit zunächst nichts mehr wissen wollte und sich 2004 in ein französisches Kloster zurückzog.

Paddy Kelly (im Bild rechts) neben seiner Schwester Maite bei einer Filmpremiere 1999 in Hamburg.

Kelly-Geschwister stellen  Weihnachtsproduktion 'Stille Nacht - Eine musikalische Weihnachtsgeschichte' vor

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Sechs Jahre lang lebte Paddy als Mönch, fand dabei nach eigener Aussage seinen Frieden - und den Weg aus der Sinnkrise. 2010 verließ er das Kloster, seitdem steht er wieder öfter auf der Bühne. Seine Homepage verweist zunächst auf seine musikalischen Erfolge als Teil der Kelly Family, dann auf seine neu begonnene Künstlerkarriere. Es ist ein Schritt aus dem Schatten des alten Ruhms. Trotzdem wird er wohl immer zu einem Teil der langhaarige Paddy Kelly aus der singenden Großfamilie sein. Bei Hein Simons wird das Publikum gelegentlich an den kleinen Heintje denken, bei Inger Nilsson an die starke Pippi und Silvia Seidel wird als Anna in Erinnerung bleiben - als die Tänzerin, die mit ihrer Anmut und Fröhlichkeit Millionen von Zuschauern bezauberte.

© Süddeutsche.de/feko/wolf/bavo/rus
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