Süddeutsche Zeitung

Bildband über die Côte d'Azur:Glanz und Gloria

Der Fotograf und Picasso-Kumpel Edward Quinn dokumentierte die glorreichen Jahre an der Côte d'Azur.

Von Andrian Kreye

Wenn man sich die Fotografien von Edward Quinn ansieht, wird man den Verdacht nicht los, dass sich der Höhepunkt des Glamourlebens auf diesem Planeten in der Zeit zwischen dem Sommer 1954 und dem Sommer 1963 auf einem schmalen Küstenstreifen zwischen Monte Carlo und Marseille abspielte. Um das etwas genauer zu terminieren, zwischen Alfred Hitchcocks Dreharbeiten zu "Über den Dächern von Nizza" mit Grace Kelly und Cary Grant und den Auftritten von Ella Fitzgerald und Miles Davis beim Jazzfestival in Juan-les-Pins. Und was sich da alles abspielte. Brigitte Bardot wurde entdeckt. Grace Kelly heiratete den Fürsten von Monaco. Hollywoods zukünftige Legenden flanierten über die Uferpromenaden, hingen am Strand und am Tennisplatz herum. Winston Churchill und Gemahlin führten die Callas aus. Am Abend ging es selbstverständlich in ganz großer Garderobe in eines der Lokale, die den kulinarisch noch unterbelichteten Angelsachsen vorführten, warum das Sprichwort Gott eben in Frankreich und nicht in London oder Kalifornien ansiedelt. Und über allem schwebte der wahre Geist Südfrankreichs, Pablo Picasso, der in seinem Anwesen im Landesinneren seine Spätphase beging.

Mit Picasso verband Edward Quinn als einzigem so etwas wie richtige Freundschaft. So nah er dem Glamour auch immer kam über die Jahre, so unnahbar blieb dieses Funkeln der Schönen, Klugen und Reichen für den jungen Iren doch immer. Aufgewachsen war er in ärmlichen Verhältnissen in Dublin. In Belfast schlug er sich als Gitarrist einer Band durch, überlebte einen Luftangriff der Deutschen in einer Kirche. Er wurde Funker bei der Royal Air Force und arbeitete nach dem Krieg bei der französischen Fluglinie Chartair auf den Pendelflügen zwischen Afrika und Europa. 1949 zog er dann an den Ort seiner Träume, die Côte d'Azur. In Monaco verdingte er sich noch als Musiker und Pressefotograf. Es war dann ein Päckchen mit Musterseiten der Zeitschrift National Enquirer, die ihm klarmachte, was die Redaktion stellvertretend für die Leserschaft aus diesem Eck der Welt erwartete: "Wie Sie sehen, bevorzugen wir den Bikini-Badeanzug und den Typ Figur, der ihn bestens ausfüllt."

Beim Filmfestival in Cannes wurde er regelmäßig fündig. Und auch die Bilder von Stars und Machtfiguren verkauften sich hervorragend, auch wenn er sehr viel lieber Bilder von Künstlern und Intellektuellen machte. So unschuldig wie man heute glauben mag, war diese Glamourwelt schon damals nicht. Quinn stellte sich oft auf die andere Seite, und so sieht man die Fotografen, wie sie sich in Schwärmen um Pin-ups und Promis scharen. Selbst Fake News gab es damals schon. Davor war selbst Quinn nicht gefeit. Das Bild von Marlon Brando, wie er 1954 im gestreiften Seemanns-Shirt unterm Jackett über die Mole von Bandol schlendert, jenem Dörfchen zwischen Marseille und Toulon, in dem er sich angeblich in die 19-jährige Tochter eines örtlichen Fischers verliebte und sich mit ihr verlobte, illustriert ein Märchen. Er hatte Josanne Mariani-Bérenger in Wahrheit kennengelernt, als sie in New York als Au-Pair eines bekannten Psychiaters arbeitete und bei Stella Adler Schauspielunterricht nahm. Sie lebten in einer Wohnung über der Carnegie Hall zusammen. In Bandol waren sie zu Besuch. Ihre Mutter hatte dort jenen Fischer geheiratet, den die Klatschpresse dann zu ihrem Vater machte. Weil die Geschichte vom Hollywoodstar und der Fischerstochter eben so viel schöner war als die Geschichte von der Schauspielschülerin und dem Profi.

Edward Quinn hatte aber nicht nur einen Blick für Schönheit und Glamour, sondern auch für Talent. Beim Dreh der Komödie "Monte Carlo Baby" entdeckte er 1951 die noch unbekannte Audrey Hepburn. Im Hinterland machte er Fotos von ihr, die sie an ihren Agenten schickte. Der ergatterte ihr damit die Hauptrolle in "Ein Herz und eine Krone" mit Gregory Peck, die ihr einen Oscar einbrachte. Auch die junge Bardot fotografierte Quinn schon, als sie noch eine der unzähligen Hoffnungsvollen war, die sich an der südfranzösischen Küste herumtrieben.

"Riviera Cocktail" erscheint nun in einer Neuauflage, die mit ihrem größeren Format noch viel prächtiger ist als die ersten Ausgaben. Der Band mag das Gesamtwerk Edward Quinns leicht verzerren. Ganze neun Fotobände über seinen Freund Picasso sind schon herausgekommen, Bücher über Max Ernst, James Joyce und Georg Baselitz. Aber so ist das in seiner Welt, in der sich Bikinibilder schon immer besser verkauften als Studien über Maler-Ateliers und Schriftstellerwege. Mit dem Abstand der vielen Jahre aber wird aus dem Flirren der Mittelmeersonne über diesen Menschen das Licht eines Pantheons, der nur wenig mit den Niederungen der Presselandschaft zu tun hat, in dem diese Bilder damals zuerst erschienen.

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