Süddeutsche Zeitung

Editorial:Über diese Beilage

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Die interessantesten Bücher zur Frankfurter Buchmesse. Mit Bildern von Frankfurter Büchermenschen und ihren liebsten Leseorten in der Stadt.

Der Beruf des Schriftstellers ist einer der letzten, in dem es noch als Auszeichnung gilt, wenn man kein Smartphone hat, keine Social-Media-Accounts, keinen Fernseher. Als stünde der Weg zum literarischen Olymp nur jenen offen, die dem profanen Nachrichtengeschehen lange genug enthoben waren. Der Schriftsteller soll von der anderen Seite des Lebens berichten: dem fremden Kontinent des eigenen Ichs, das andachtsvoll abgeschritten wird, als handele es sich um eine Klosterbesichtigung.

Bei der Produktion dieser Beilage drängte sich aber wieder einmal der Eindruck auf, dass die Literatur dem Weltgeschehen derzeit nicht entkommen kann. Die Romane von Joshua Cohen und Olga Tokarczuk drehen sich um Fragen jüdischen Selbstverständnisses und die Besprechungen dieser Bücher standen schon an ihrem Platz auf diesen Seiten, als ein deutscher Neonazi einen Anschlag auf die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Halle verübte. Der Debütroman der Künstlerin Cemile Sahin handelt von einer Mutter, die ihren Sohn im Krieg verloren hat. Cemile Sahin wurde in Deutschland als Kind kurdischer Eltern geboren und auch der Text über ihren Roman stand schon auf der Seite, als die Türkei in kurdische Gebiete in Syrien einmarschierte und der Albtraum des Krieges für die Kurden wieder von vorn begann. Für die Literatur, so scheint es, gibt es gerade keinen Ausweg aus der Wirklichkeit.

Andererseits zeigen die Bilanzen der Buchhändler, dass von der unübersichtlichen Gesamtlage vor allem das Sachbuch profitiert. Der Bedarf an politischen Analysen, historischen Übersichten, mutigen Zukunftsentwürfen ist groß. Und vielleicht erlebt das Buch in diesem Bereich auch gerade deshalb eine Renaissance, weil es die Dinge gründlicher angehen kann als die digitalen Formate.

Zur Frankfurter Buchmesse haben wir die interessantesten Titel dieses Herbstes hier versammelt. Hinter Büchern stehen immer viele Menschen, die sie machen, lieben und lesen. Viele von ihnen kommen in den nächsten Tagen aus der ganzen Welt nach Frankfurt zur Messe. Aber auch in der Stadt selbst setzen sich Menschen das ganze Jahr über für die Literatur ein. Einige von ihnen zeigen die Fotografien von Ramon Haindl auf den folgenden Seiten mit ihren liebsten Frankfurter Leseorten.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019 / SZ
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