Literatur:Schriftsteller Edgar Hilsenrath ist tot

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Der Schriftsteller Edgar Hilsenrath im Jahr 2006. (Foto: dpa/dpaweb)
  • Der Autor Edgar Hilsenrath ist im Alter von 92 Jahren gestorben.
  • Hilsenrath wurde als Jugendlicher von den Nationalsozialisten ins Ghetto deportiert, seine Romane thematisierten später häufig den Holocaust.
  • Mit seiner Satire "Der Nazi und der Friseur" landete er in den Siebzigerjahren einen Bestseller, der jedoch zunächst von zahlreichen deutschen Verlagen abgelehnt worden war.

Der Schriftsteller Edgar Hilsenrath ist am Sonntag im Alter von 92 Jahren gestorben. Das teilte seine Ehefrau Marlene Hilsenrath am Dienstag mit.

Der Bestseller-Autor wurde am 2. April 1926 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Leipzig geboren. Aus Furcht vor den eskalierenden Ausschreitungen gegen Juden floh er im Jahr 1938 nach Rumänien, wo der Großvater Gutsbesitzer war. Nur drei Jahre später wurde er ins jüdische Ghetto Mohyliw-Podilskyj auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert. Im März 1944 durch russische Truppen befreit, schlug sich der 17-Jährige unter lebensbedrohlichen Umständen über Rumänien, die Türkei und Syrien nach Palästina durch. 1947 traf er in Lyon seine Familie wieder und wanderte kurz darauf nach New York aus, wo er als amerikanischer Staatsbürger bis 1975 lebte.

Seit seinem autobiographisch gefärbten Debütroman "Nacht" aus dem Jahr 1964, der von seinen Erfahrungen im Ghetto erzählt, thematisierte das Werk Hilsenraths häufig den Holocaust. Seinen internationalen Durchbruch schaffte er mit seiner Nazi-Groteske "Der Nazi und der Friseur", die er noch in den USA schrieb, bevor er Mitte der Siebzigerjahre nach Deutschland zurückkehrte. Der Roman erzählt die Geschichte vom fiktiven NS-Massenmörder Max Schulz, der nach 1945 unter dem Namen seines von ihm ermordeten Jugendfreundes Itzig Finkelstein nach Palästina auswandert und dort zum Volkshelden aufsteigt. Das Buch erschien zuerst in den USA, dann in Frankreich, Italien und England und wurde ein großer Erfolg. Nachdem zunächst etliche deutsche Verlage das Manuskript mit der Begründung abgelehnt hatten, über ein solches Thema dürfe man nicht satirisch schreiben, konnte es schließlich 1977 im kleinen Kölner Verlag Helmut Braun erscheinen und setzte sich durch. Der Literaturkritiker Helmut Böttiger nannte den Roman in einem SZ-Artikel zum 90. Geburtstag Hilsenraths einen der "wichtigsten in der Geschichte der Bundesrepublik".

Hilsenrath veröffentlichte im Anschluss noch zahlreiche Bücher. Besondere Beachtung fand unter anderem "Das Märchen vom letzten Gedanken" aus dem Jahr 1989, in dem er vom Genozid an den Armeniern erzählt. Hilsenraths letztes Buch, "Berlin ... Endstation", erschien 2006.

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