Echo-Verleihung 2014:Supergeile Schlagernacht

Manche verwechseln ein Schiff mit einem Flugzeug, andere den Echo mit Helene-Fischer-Festspielen. Und die Moderatorin? Verwechselt auch so einiges. Ein Besuch bei einer Musikpreis-Verleihung, die gerne Deutschlands Grammy wäre und am Ende trotz Kylie Minogue und Shakira von grauhaarigen Herren gerettet werden muss.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Es muss wohl so sein. Helene Fischer hat nicht nur mehr als eine Million Mal ihr aktuelles Album "Farbenspiel" verkauft. Nicht nur fünffach Platin errungen. Jetzt hat sie auch zwei Echos gewonnen. Für das Album und als beliebteste deutschsprachige Schlagersängerin. Sie hat ihren Preis aus den Händen der "rattenscharfen Pop-Nudel" Shakira (O-Ton Max Raabe) erhalten, die Fanta Vier zufolge im Helene-Fischer-Lookalike-Outfit erschienen ist - nicht etwa andersherum, obwohl Shakira international gesehen dann wohl doch der größere Star ist.

Das alles ist wiederum in einer Show passiert, durch die Fischer auch noch als Moderatorin geführt hat. Und das einigermaßen souverän: Zumindest hat nur der halbe Saal gelacht, als sie stammelte, es sei eine große Überraschung für sie, dass sie heute auch noch ausgezeichnet werde.

Zwischendurch absolvierte sie diverse eigene Auftritte mit Gesang und Tanz in unterschiedlicher Kostümierung. Am Ende verabschiedete sie das Echo-TV-Publikum in der ARD mit den Worten "Das war der Bambi!" in die Nacht. Zuletzt, beim Bambi im November 2013, den sie natürlich auch schon moderiert hat, hatte sie genauso strahlend gerufen: "Das war der Echo!" Es könnte also diesmal ein Witz gewesen sein. Oder die Moderatorin, Schlagersängerin, Tänzerin und derzeit beliebteste Entertainerin Deutschlands kommt einfach langsam durcheinander bei dem ganzen Rummel um ihre Person.

Irgendjemand da, der Helene Fischer nicht mag?

Sat 1 hatte extra ein Team vom Frühstücksfernsehen am Roten Teppich auf dem Berliner Messegelände vor der Preisverleihung stationiert, um sämtliche vorbeistolzierenden Promis nicht etwa nach aktuellen Musikthemen zu befragen, sondern alleine nach Helene Fischer. Und zwar mit dem erklärten Ziel, jemanden zu finden, der die zierliche Blondine nicht leiden kann und bereit ist, vor der Kamera über sie zu lästern. So viel sei verraten: Es wurde kaum einer gefunden. Everybody's Darling scheint derzeit so unangreifbar zu sein, dass es niemandem etwas ausmacht, dass eine Schlagersängerin Deutschlands populärsten Musikpreis nicht nur moderiert, sondern auch gleich selbst die angepriesenen Trophäen dabei abräumt.

Trotzdem gab es noch weitere Ausgezeichnete an diesem Abend: Ina Müller etwa, als beste Rock-Pop-Künstlerin prämiert, bedankte sich herzhaft bei ihren beiden Managern dafür, dass sie ihr nie "auf den Sack gegangen" seien und sie niemals mit ihnen hätte Sex haben müssen. Robbie Williams, als bester Rock-Pop-Künstler international vorab im fernen Los Angeles ausgezeichnet worden, bedankte sich per Video bei den treuen deutschen Fans mit einem Heiratsantrag: "Deutschland, willst du mich heiraten? Ich liebe dich!"

Beatrice Egli flippt aus

Beatrice Egli, die vor ihrem Gewinn bei "Deutschland sucht den Superstar" noch in der elterlichen Metzgerei in der Schweiz gearbeitet hat, machte aus ihrer Dankesrede für die Auszeichnung "Beste Newcomerin International" fast auch schon wieder einen Schlager, wie wild geworden kreischend und hüpfend, im Kleid mit pinker Spitze, der ganzen Welt dankend.

Es sind Momente wie diese, da man Helene Fischer eben doch dankbar sein kann - dass sie im Vergleich mit ihren Kollegen aus der Schlagerwelt nicht peinlich wirkt. Um zu zeigen, dass die deutsche Musikszene aber nicht komplett dem Schlager verfallen ist, wurden noch ein paar weitere Künstler ausgezeichnet, deutsche wie internationale.

Blondinen drehen auf

So etwa die 17-jährige britische Sängerin Birdy - obwohl auch die ungleich spannendere Kollegin Lorde zur Verfügung gestanden hätte - in der Kategorie Künstlerin Rock/Pop International, ein paar unvermeidliche nationale Sänger und Bands wie Tim Bendzko (bester Künstler), The BossHoss (beste Band), Santiano (beste volkstümliche Band), Sportfreunde Stiller (beste Rock/Alternative-Band), Max Herre (bester HipHop-Künstler), Adel Tawil (erstaunlicherweise als bester Newcomer), Die Toten Hosen als erfolgreichster Live-Act, Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf für "Circus Halligalli" (als "Partner des Jahres"), Peter Maffay und seine Stiftung für soziales Engagement, DJ Koze (Kritikerpreis), Christina Stürmer (Radio-Echo) und Y-Titty für das "Beste Video" ("Halt Dein Maul").

Echo 2014 - Preisträger

Auch sie schon unvermeidlich: Die Moderatoren Joko Winterscheidt (li.) und Klaas Heufer-Umlauf freuen sich über die Auszeichnung in der Kategorie "Partner des Jahres".

(Foto: dpa)

International wurden Avicii für den Hit des Jahres ("Wake Me Up") und als beste elektronische Band ausgezeichnet, obwohl auch Daft Punk und Pharell Williams nominiert und definitiv besser waren. Ebenso ausgezeichnet wurden Depeche Mode (beste Band International), Eminem (HipHop International), Volbeat (Rock/Alternative National) und Lindsey Stirling (Crossover International). Die rothaarige Geigerin aus USA war eine der wenigen internationalen Stars, die den Weg nach Berlin gefunden hatten für diesen Preis.

Die Schönen und Helene

Um ihr Album zu promoten allerdings, nutzten ein paar internationale Vertreter der Musikszene die Gelegenheit dann doch, so auch Kylie Minogue, ebenfalls eine alte Bekannte des Echo. Und auch sie erinnerte an Helene Fischer an diesem Abend: Klein und zierlich, blond und hübsch, glamouröser Bühnenauftritt - Musik eher Nebensache. Ein bisschen fulminanter bekommt das immer noch Shakira hin, auch wenn ihr "berühmtester Hüftschwung der Welt" inzwischen auch ein wenig aus der Mode gekommen ist. Immerhin: Auf dem Roten Teppich strahlte sie am mädchenhaftesten von allen Stars, in raffinierter schwarz-hautfarbener bodenlanger Abendrobe. US-Soulsänger Gregory Porter machte seine Arbeit erwartungsgemäß gut, auch der Rostocker Rapper Marteria wusste mitsamt Gastsängerin Miss Platnum und Kinderchor zu überzeugen.

Für den nötigen Rummel im Vorfeld hatte die Nominierung der umstrittenen Band Frei.Wild gesorgt, die ihr Kommen daraufhin abgesagt hatte - ähnliche Diskussionen über mangelnde Political Correctness beim Echo gab es in den Jahren zuvor schon um Cat Stevens und Bushido. Gerade erst für den Eurovision Song Contest nominiert und jetzt schon zum Echo eingeladen wurden die Newcomerinnen der Band Elaiza - angenehm, aber auch nicht bahnbrechend.

So weit, so vorhersehbar das meiste. Auch Jan Delay, der ebenfalls sein neues Album promotete, konnte trotz einer Außerirdischen-Combo im Hintergrund mit seiner Ode an die Hamburger Reeperbahn nicht mehr wirklich überraschen. Und die Fantastischen Vier gaben zwar 25 ihrer Hits aus 25 Jahren in 250 Sekunden zum Besten, aber neu war das alles natürlich auch nicht.

Supergeiler Auftritt

Echo 2014 - Verleihung

Nur keine Aufregung: Friedrich Liechtenstein übergibt gewohnt cool einen Echo.

(Foto: dpa)

Es blieb also an einem einzelnen älteren Herren hängen, der Veranstaltung ein bisschen inhaltlichen Schwung zu verleihen, und sei es nur als Laudator: Der Berliner Künstler Friedrich Liechtenstein, jüngst durch ein Musikvideo für eine Supermarktkette zum Youtube-Star avanciert, übergab den Echo für das beste Video mit den Worten: "Super Artists, super Videos, super Auswahl - supergeil!" Ähnlich wie in seinem Video, schlurfte er dazu leicht swingend und superentspannt über die Bühne - und brachte zumindest ein wenig Anarcho-Flair und Ironie in die ansonsten superangepasst wirkende Szenerie.

Fast wie dessen Zwillinge wirkten am Ende der dreistündigen Veranstaltung die ebenso ergrauten und Anzug tragenden Mitglieder des Schweizer Duos Yello, Dieter Meier und Boris Blank, und auch sie zeigten im Gegensatz zu den meisten jüngeren Kollegen so etwas wie Kreativität und Frische, indem sie auf der Bühne mittels Handy ein Sample mixten - ihr berühmtes "Oh, yeah!" klang dabei fast nach Liechtenstein. Auch ihre Rede war ansatzweise erfrischend, indem sie sich dankbar dafür zeigten, "dass wir diesen Lebzeit-Award schon jetzt bekommen, wo wir noch jung sind", dieser Preis sei ein "Lebenselixier für die nächsten 35 Jahre".

Das bisschen Authentizität war ein Aufatmen wert, zwischen all den blondierten, ondulierten, zuckergussartigen oder wenig überraschenden künstlerischen Darbietungen. Vielleicht klappt's ja beim nächsten Mal auch wieder mit dem richtigen Veranstaltungsnamen. Ansonsten: Helene-Fischer-Festspiele wäre inzwischen sowieso die angebrachtere Bezeichnung für den Echo.

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