Eagles of Death Metal:"Ich will dorthin zurückkehren und leben"
Lesezeit: 4 Min.
Die Band "Eagles of Death Metal" redet erstmals ausführlich über den Terror-Abend von Paris und verspricht, ihr Konzert im Bataclan zu Ende zu spielen.
Von Johannes Kuhn, San Francisco
"Ich will mein Leben nicht damit verbringen, Arschlöcher zu beschwichtigen oder nicht zu beschwichtigen. Ich will mein Leben lächelnd mit meinen Freunden verbringen und sie unterhalten. Ich kann es kaum erwarten, nach Paris zurückzukehren. Ich kann es nicht erwarten zu spielen. Ich will die erste Band sein, die im Bataclan spielt, wenn es wieder öffnet ... weil ich dabei war, als es für eine Minute verstummt ist. Unsere Freunde sind dorthin gegangen, um Rock 'n' Roll zu sehen, und sind gestorben. Ich will dorthin zurückkehren und leben." Jesse Hughes
Diese 26 Minuten sind harter Stoff, sie sind ein Dokument der Zeitgeschichte. Die Eagles of Death Metal erzählen im Video-Interview, wie sie jenen Abend erlebten, als drei Terroristen in ihr Konzert im Pariser Club Bataclan eindrangen und 89 Menschen töteten.
Vergangene Woche veröffentlichte Vice bereits kurze Ausschnitte, nun kommen die fünf Bandmitglieder und ihr Soundmann ausführlich zu Wort. Dabei erinnert die Gruppe um Frontmann Jesse Hughes nicht nur an den tragischen Abend, sondern auch an ihre toten Fans, die ihre Geschichte nicht mehr erzählen können. Es ist ein emotionales Interview, häufig stockt den Bandmitgliedern die Stimme oder sie brechen in Tränen aus.
"Die ersten Schüsse waren so laut, dass ich sofort wusste, dass etwas nicht stimmte", erzählt Schlagzeuger Julian Dorio vom Moment, als die Attentäter das Feuer eröffneten und das Chaos ausbrach.
Die Band suchte Schutz hinter Verstärker und Schlagzeug; drei Mitglieder flüchteten, als einer der Schützen nachlud. Sänger Jesse Hughes rannte nach oben zum Backstage-Raum der Band, um seine Freundin zu suchen und traf dort auf einen der Terroristen.
"Er drehte sich zu mir, senkte seine Waffe und eine Kugel traf den Türrahmen", erzählt der sichtlich mitgenommene Hughes, "ich dachte ... oh fuck, ich drehte mich um und ... ich wusste, dass Menschen mir folgten, also (...) ich sagte [zu den Menschen, die die Treppe hochströmten, d. Red.] 'nein,nein,nein, kommt nicht in diese Richtung'. Und wir rannten nach unten." Als sie durch einen Seitenausgang entkommen waren, fanden sie nicht nur Hughes' Freundin, sondern auch völlig verstörte Fans. "Sie schienen nicht zu wissen, was sie tun sollten."
Bassist Matt McJunkins, der an einer weit vom Ausgang entfernten Bühnenseite stand, suchte mit Zuschauern - darunter Verletzte - in einem kleinen Hinterraum Schutz. Weil Wasser durch die Decke drang, bildete sich ein Rinnsaal, das unter der Türe durchsickerte und die Panik wachsen ließ, entdeckt zu werden. Eine Flasche Champagner, die dort für das Ende der Show in einem Kühlschrank stand, wäre ihre einzige "Waffe" gegen die Attentäter gewesen. "Die Schüsse kamen näher. Sie hörten nicht auf, zehn, vielleicht 15 Minuten. Es hörte einfach nicht auf." Schließlich wurde das Gebäude von einer Explosion erschüttert, als einer der Terroristen sich selbst in die Luft sprengte.
Soundmann Shawn London war in der Nähe der Türen an seinem Mischpult. "Die Show lief gut, die Kids hatten eine tolle Zeit ... das Lächeln, das Tanzen, das Mitsingen jedes Songs. Es kam von Herzen", beschreibt er die Szene. "Und plötzlich hörte ich hinter mir etwas, das sich nach Krachern anhörte, direkt hinter mir. Sie kamen zur Tür rein und begannen zu schießen, zwei von ihnen (...) es war willkürlich. Menschen fielen sofort um ... Verletzungen, Tod. Sie konnten nirgendwohin und Menschen sprangen auf mich, direkt hinter das Mischpult." Ein Attentäter zielte auf ihn, aber traf nur das Soundboard. "Er stand da und schoss und schoss und schlachtete die Menschen ab und schrie nur 'Allahu akbar'. Und da begriff ich sofort, was los war." Schließlich konnte London sich und eine Frau mit Schussverletzung retten, als der Schütze gerade nachlud.
Bei dem Anschlag starben auch Fans, die sich im Backstage-Raum der Band versteckt hatte. "Der Grund, warum so viele Menschen gestorben sind, ist, dass sie ihre Freunde nicht verlassen wollten", erzählt Hughes mit gebrochener Stimme, "so viele Menschen haben sich schützend vor andere Menschen gestellt." Auch der Merchandise-Verkäufer der Band, Nick Alexander, kam ums Leben. "Er blieb ruhig, er verblutete, er wollte nicht um Hilfe rufen, weil er nicht wollte, dass jemand verletzt wird ... ich meine ...", bricht der schluchzende Band-Sänger ab.
"Die Band hat immer wieder von diesem kollektiven Heldentum erzählt", sagt Mitgründer Josh Homme, der die Band nicht auf der Tour begleitete. "Dass Menschen aus ihren Häusern kamen, um zu helfen. Dass sogar Verletzte einander und der Band halfen. (...) Wir haben jetzt ein Podium, weil wir in einer verdammten Band sind. Wir repräsentieren die Fans, die es nicht geschafft haben. Die Menschen, die es nicht geschafft haben, deren Geschichten vielleicht nie erzählt werden."
"Weil Worte die Sache nicht fassbar machen"
Was er den Eltern der Opfer sagen würde? "Es ist so schlimm ... ich will ... einfach nur auf die Knie gehen und sagen, was auch immer ihr hören wollt. Es gibt nichts, was ich sagen kann, weil Worte die Sache nicht fassbar machen. Das ist okay, weißt du. Es ist okay, dass es keine Worte dafür gibt. Vielleicht sollte es keine geben."
"Ich habe vielleicht Angst", sagt Sänger Jesse Hughes, "vielleicht ist mir krasser Scheiß passiert ... aber das ist nichts ... ich atme, ich kann heute Abend mit meinem Sohn reden."
Man werde und müsse die Tour fortsetzen, dies sei man nicht der Band oder den Fans oder der Politik schuldig, sondern dies sei "Teil des Menschseins", so Homme.
Und Jesse Hughes geht sogar noch weiter: "Ich will die erste Band sein, die im Bataclan spielt, wenn es wieder öffnet ... weil ich dabei war, als es für eine Minute verstummt ist. Unsere Freunde sind dorthin gegangen, um Rock 'n' Roll zu sehen, und sind gestorben. Ich will dorthin zurückkehren und leben."