DVD: "Pusher":In den dunklen Straßen der Großstadt

Familienbande und Dänen-Deals: Die Reihe "Pusher" von Nicolas Winding Refn wirft einen beeindruckenden Blick auf das Leben der kleinen Menschen in der großen Stadt.

Fritz Göttler

Das Kino ist ein Straßenkind, und in den mean streets der großen Städte tummelt es sich bis heute mit Vorliebe, bei denen, die hier ihre Zeit sich vertreiben, mit flotten Sprüchen und Flitzern und Frauen, und mit entsprechenden Deals, um das alles zu finanzieren - und manchmal blitzt gar ein Rest von jenen Träumen und Ambitionen auf, die sie vor langer Zeit hinausgetrieben hatten.

In den dunklen Straßen der Großstadt

Das ist die Fassade: das neue Opernhaus in Kopenhagen. Dahinter sieht es düster aus.

(Foto: Foto: dpa)

Kopenhagen zum Beispiel, da hat vor zehn Jahren der junge Nicolas Winding Refn einen kleinen Film gedreht über ein paar Typen, die sich im Dealermilieu rumschlagen, und weil er das mit Handkamera und im Rhythmus der Streetgangs tat, hat man seinen Film "Pusher" irgendwie mit Dogma zusammengebracht - in Wirklichkeit ist das alles sehr viel spannender und konsequenter als vieles aus der Dogma-Kiste, Winding Refn baut auf ein starkes Skript und eine klare Inszenierung.

Ein paar Jahre später, 2004, nahm er einige der Figuren aus dem "Pusher" und erzählt ihre Geschichte weiter, das wurde "Pusher 2", und nochmal ein Jahr später gibt es noch einmal das gleiche Spiel - dieser "Pusher 3" ist eben auf DVD erschienen. Und wenn man einmal angefangen hat mit diesen Filmen, wird man leicht süchtig und hat plötzlich eine Nacht mit ihnen abgesessen. Drei Filme, die auf brutale und poetische Weise die Zeit, in der sie entstanden, reflektieren, das heißt, die Jahre, da Europa ein neues Selbstbewusstsein entwickelte.

Nicolas Winding Refn ist ein Kinokind, seine Eltern sind Filmemacher und auch andere Verwandte tummeln sich im Filmgeschäft: "Ich bin in New York aufgewachsen. Ich kam dann nach Kopenhagen zurück und habe einen Kurzfilm von fünf Minuten gemacht, der auch ,Pusher' hieß, inspiriert von einer Szene in Scorseses ,Goodfellas', wo Ray Liotta in der Gegend herumfährt in einem Zustand absoluter Paranoia. Ich dachte, es würde Spaß machen, jemand zu beobachten, der so unter Druck ist."

Im ersten "Pusher" ist es Frank, gespielt von Kim Bodia, der unter Druck ist, weil er, als er montags seine Deals besorgen will, merkt, dass in dieser Woche sein Leben in Stücke brechen wird, in einem Wirbel aus Missgeschicken und Verrat, beides ist tödlich in diesem Milieu, plötzlich steht Frank mit einem Haufen Schulden da, und Milo (Zlatko Buric), der serbische Herr der Drogen, ist gnadenlos, wenn seine Leute ihre Gummiplanen auf dem Boden ausbreiten.

Die Härte steigert sich von Film zu Film, aber auch die Melancholie. Im dritten "Pusher" passiert dann Milo das, was er Frank antat, er kriegt Probleme mit seinen Zulieferern, zudem muss er den 25.Geburtstag seiner Tochter organisieren, will für sechzig Gäste kochen - seine Delikatessen sind freilich schwer durchfallverdächtig. Zwischendurch schlüpft er immer wieder schnell zu einer Sitzung der Anonymen Junkies.

"Pusher 2" ist Tonny gewidmet, einem Kumpan von Frank, Mads Mikkelsen spielt ihn, der gerade den Großschurken im neuen Bond-Film gibt. Tonny ist eine traurige Gestalt, er hat sich das Wort Respect auf den Hinterkopf tätowieren lassen, und sehr schnell merkt man, welchen Respekt er meint - den des Vaters nämlich, der die größte Autoschieber-Bande in der Stadt leitet. Um ihm seine Liebe zu beweisen, klaut Tonny einen Ferrari, eine dumme, völlig unangebrachte und riskante Aktion, auf die der Vater mit Unwillen reagiert. Tonnys Enttäuschung gleicht der von James Dean in "Jenseits von Eden", der mit einem Kriegsgewinnler-Deal den Vater für sich gewinnen wollte. Die Pusher-Filme, das sind drei bewegende Meditationen über Familien und Generationenkonflikte.

Einen weiteren Thriller aus dem Arbeitsleben liefert Costa-Gavras mit "Die Axt", der angenehm lässig ist im Vergleich zu seinem vorigen Film, der Hochhuth-Verfilmung-Version "Amen" - er hat die Leichtigkeit wiedergefunden von "Conseil de famille" mit Johnny Halliday - und vielleicht liegen ihm Familienfilme wirklich. Entscheidend ist auch die Vorlage, die diesmal vom amerikanischen Krimiautor Donald E. Westlake stammt.

Wir erleben José Garcia als netten, kundigen, höflichen Angestellten, ein Papierfachmann, der nach fünfzehn Jahren gefeuert wird. Die Familie steht zu ihm, selten hat man eine so solidarische und stressfreie Familie gesehen, aber er spürt die beginnende Neurose - wie soll er ihnen den Lebensstadard erhalten und die Liebe vergelten?

Garcia wählt die Thrillerlösung, er verschafft sich die Unterlagen seiner härtesten Konkurrenten für eine Neubewerbung und beginnt sie auszuschalten - unter Verwendung der alten Armeepistole seines Vaters. Keine Elendstendenz, sondern Hartz-IV-Probleme mit Hitchcock-Effekten. Nach den ersten Morden fängt unser Held hemmungslos zu zittern an - über das was er getan hat, aber auch weil es so einfach war.

"Pusher", "Pusher 2", "Pusher 3" von Nicolas Winding Refn, Galileo Medien

"Die Axt" von Costa-Garvras, Alamode

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