Süddeutsche Zeitung

Dubai-Frame:Ein Ausblick durchs Rechteck

Der "weltgrößte Bilderrahmen" steht wo? In Dubai. Er gibt Anlass, über die Spektakelfreude der Städte nachzudenken.

Von Gerhard Matzig

"Dubai-Frame" heißt ein neues, 150 Meter hohes Bauwerk, das die Stadt am Persischen Golf überragt. Je nach Perspektive blickt man also durch den (oder herab vom) begehbaren Rahmen, englisch: frame, der vom mexikanischen Architekten Fernando Donis entworfen und realisiert wurde, auf die Alt- oder wahlweise auch auf die Neustadt Dubais. Zwei Millionen Besucher jährlich soll der Bau anlocken, den man, leicht abergläubisch vielleicht, in unglücklichster Perspektive auch für einen gigantischen, leider zerbrochenen Spiegel halten könnte. Sieben Jahre Unglück. Minimum. Das wird die Macher in Dubai nicht daran hindern, weiterhin eine Art stadträumliche und architektonische Superlativ-Politik zu betreiben.

Warum man den Pariser Eiffelturm bauen sollte? Weil man ihn bauen kann.

Zur Erinnerung: Das höchste Gebäude der Welt, der 828 Meter hohe Wolkenkratzer namens Burj Khalifa, steht seit 2010 in Dubai. Und zur Vorfreude: Schon bald soll das naturgemäß größte Riesenrad der Welt, es bietet 1400 Menschen gleichzeitig Platz und ist 210 Meter hoch, in Dubai regelmäßig seine Kreise ziehen. Von Dubai aus, wo alles immer größer, höher, weiter oder auch nur teurer und plakativer sein muss, kann man sich Allah (oder wer auch sonst immer über den Wolken thront) als mutmaßlich kurzsichtiges Wesen vorstellen, dem man die irdischen Kunstfertigkeiten ein bisschen näher präsentieren muss, um überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden.

Allerdings sind auch dem westlichen Gott des Stadtmarketings solche Bemühungen keineswegs fremd. In New York sollte ursprünglich noch in diesem Jahr "The Vesel" (deutsch: das Gefäß) als begehbare, 2500 Stufen umfassende Skulptur eröffnet werden. Es soll eine Art "stairway to heaven" werden, was die New Yorker nicht daran hinderte, sich noch einige andere Kosenamen auszudenken: "gigantische Bienenwabe", "überdimensionierter Basketballkorb", "größte Musicaltreppe der Welt" oder auch "neuer Eiffelturm" sind die netteren darunter.

So neu auch der neueste Eiffelturm wäre: Die Geschichte des 325 Meter hohen Pariser Stahlkonstrukts, das sich Gustave Eiffel Ende des 19. Jahrhunderts für die Stadt an der Seine ausgedacht hat, ist schon ein Hinweis darauf, dass manches, was man jetzt noch verspottet, später einmal jede Menge Selfie-Hintergrund bieten kann. Als man den Eiffelturm erbaute, wurde sein Konstrukteur gefragt, warum man so etwas Scheußliches schaffen solle, welchen Zweck das denn habe. "Warum? Weil man es bauen kann." Das war Eiffels berühmte Antwort. Erst wurde der Turm gehasst, ein paar Jahrzehnte später verehrt. So geht das oft, wenn man den Menschen Zeit lässt, sich daran zu gewöhnen.

Wobei das gewachsene Stadtbild von Dubai schon deshalb nicht in allzu großer Gefahr ist, weil es das eigentlich gar nicht gibt. Die charmante Altstadt am malerischen Meeresarm und das höchste Haus der Welt, das tatsächlich auch ein sehr schönes Haus ist (Frank Lloyd Wright hätte eigentlich das Copyright darauf), mal ausgenommen.

Dennoch kann man sich fragen, ob Städte in der globalen Konkurrenz der "locations" immer mehr dafür tun müssen, um mit irgendwelchen Bauspektakeln aufzufallen. Scheint so. Früher war das deutlich entspannter: Da gab es einen Städtebau, der den Ehrgeiz hatte, schöne, besondere und eigenwillige Städte hervorzubringen. Die Bellevue, die "schöne Aussicht" also, der ideale Aussichtspunkt, ist ein Erbe solchen Bemühens. Übrig geblieben ist die Aussicht. Schön muss sie nicht mehr sein. Nur noch spektakulär. Und notfalls ohne Stadt.

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SZ vom 04.01.2018/kel
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