Drehbuch zu "Frost/Nixon":Natürlicher Lebensraum: Cocktailparty

Drehbuchautor Peter Morgan spricht über Frosts und Nixons Schwächen und den schwierigen Umgang mit Personen der Zeitgeschichte.

A. Menden

Keiner kann derzeit besser die subtilen Spiele der Macht beschreiben, die sich hinter den politischen Kulissen abspielen, als der britische Theater- und Filmautor Peter Morgan. Zuletzt hat er das historisch ("Die Schwester der Königin") und auch ganz aktuell bewiesen - mit Stephen Frears "The Queen".

Drehbuch zu "Frost/Nixon": Wollte keinen obskuren Polit-Film: "Frost/Nixon"-Drehbuchautor Peter Morgan.

Wollte keinen obskuren Polit-Film: "Frost/Nixon"-Drehbuchautor Peter Morgan.

(Foto: Foto: ap)

SZ: Verfilmungen von Theaterstücken kämpfen oft damit, dass sie statisch und unfilmisch wirken. Hatten Sie Sorge, dieses Problem könnte auch bei "Frost/Nixon" auftauchen?

Peter Morgan: Als es darum ging, einen Regisseur für die Übertragung zu finden, wollte ich jemanden, der noch nie am Theater gearbeitet hatte. Ich entschied mich für Ron Howard, weil er erstens Amerikaner, zweitens ein reiner Filmemacher und drittens ein Regisseur aus dem Mainstream ist. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass "Frost/Nixon" im Ghetto obskurer Polit-Filme landet. Bei den Schauspielern blieben wir allerdings letztlich bei der Bühnenbesetzung. Warren Beatty hatte Interesse an der Nixon-Rolle, und in einem bestimmten Licht sieht er Nixon auch ähnlicher als Frank Langella. Aber ich bin sehr zufrieden mit der jetzigen Konstellation.

SZ: Das Drehbuch unterscheidet sich tatsächlich nicht sehr vom Theaterstück.

Morgan: So sieht es jetzt aus, aber als ich damit begann, musste ich den Theatertext erst einmal vollständig auseinandernehmen. Übrigens keine sehr vergnügliche Arbeit. In der Bühnenversion gab es zwei Erzähler, einen aus dem Nixon-, einen aus dem Frost-Lager. Die musste ich streichen. Aber das, was schließlich übrig blieb, ähnelte schließlich dem Kern des ursprünglichen Stückes.

SZ: Wie ist es, den Hintergrund einer lebenden Person zu recherchieren?

Morgan: Nicht besonders angenehm. Bei der Vorbereitung zu "The Queen" war es kein Problem, weil sie natürlich sowieso nicht mit mir sprach. Aber David Frost war in die Produktion von Theaterstück und Film stark involviert. Wenn die betreffende Person immer dabei ist, fühlt man sich versucht, alles ständig mit ihr zu vergleichen. Als Autor braucht man zum Arbeiten aber eine bestimmte Marschroute, deshalb ist so etwas ist nicht hilfreich. Ich fühle mich eingeschränkt durch zu viel Information, die jenseits dessen liegt, was ich mir für die Story überlegt habe. Das heißt nicht, dass ich die betreffenden Menschen nicht interviewen will, im Gegenteil. Aber Frost macht gern zu allem seine Anmerkungen, und von einem gewissen Punkt an möchte ich beim Schreiben in Ruhe gelassen werden.

SZ: Dramaturgisch läuft alles auf die Interviews zu, die ja als Filmdokument existieren. Wie viel vom Originaldialog haben Sie verwendet?

Morgan: Ziemlich viel, aber ich habe die Reihenfolge verändert und einiges hineingepackt, das Nixon in anderen Interviews sagte. Die Herausforderung bestand darin, sechs Gesprächsstunden in zwanzig Minuten zu verdichten. Die kleinen Psychospielchen, die stattfinden, bevor die Kamera läuft, habe ich erfunden, um den Unterhaltungswert zu steigern. Wichtig für die Dramaturgie war, dass der Knockout, das Eingeständnis Nixons, zu glauben, dass der Präsident über dem Gesetz steht, am Ende stand. In Wirklichkeit kam diese Szene mitten im Interview.

SZ: Es ist eines Ihrer Markenzeichen geworden, die menschliche Seite von Personen zu zeigen, die man nur in ihrer offiziellen Funktion kennt, erst bei der Queen und Tony Blair, jetzt bei Nixon.

Morgan: Bei Nixon hat sich das aus der Chemie mit seinem Gesprächspartner David Frost entwickelt. Frosts natürlicher Lebensraum ist die Cocktailparty, er kann gar nicht genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nixon hingegen war sehr zurückgezogen, hatte keine engen Freunde, misstraute instinktiv allen Menschen. Diese Paranoia führte zu seinem Niedergang. Die Tatsache, dass ein Mann, der ein großer Präsident hätte sein können, kriminell wurde, sich selbst zerstörte, dass er an seinen eigenen menschlichen Schwächen scheiterte, das empfinde ich als tragisch.

SZ: Ein Höhepunkt ist das nächtliche Telefongespräch zwischen Nixon und Frost, in dem Nixon angetrunken erklärt, wie viel sie gemeinsam haben.

Morgan: Auch diese Szene habe ich erfunden. Allerdings basiert sie auf dem Wissen, dass Nixon nicht viel vertrug, und gegen Ende seiner Präsidentschaft öfter spät abends unter dem Einfluss von Medikamenten und Alkohol telefonierte und sich am nächsten Morgen nicht mehr daran erinnern konnte. So kann Frost ihn im Film vor dem letzten entscheidenden Interview verunsichern, indem er ein Telefonat erwähnt, von dem Nixon nichts mehr weiß.

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