Drama:Wie ein wilder Stier

Im Boxer-Film "Southpaw" erzählen die US-Stars Jake Gyllenhaal und 50 Cent vom amerikanischen Traum.

Von Philipp Stadelmaier

"Ich bin ein verdammtes Monster!". Mit dieser donnernden Ansage tritt Billy Hope das erste Mal in den Ring. Der Mann, der die Hoffnung im Namen trägt, ist ein Biest. Anders hätte er sich aus dem Waisenhaus im New Yorker Slum Hell's Kitchen auch gar nicht nach oben arbeiten können, in die Liga der Superboxer. Je mehr aber das Biest durch den Ring hechelt und zähnefletschend auf seinen Gegner einprügelt, merkt man, wie sehr er blutet. Wie sehr die vielen harten Kämpfe ihren Tribut fordern, und ihn jeder Kampf mehr an seine Schmerzgrenze führt. Die müden Augen mit aufgeplatzten Adern, die schleppende, ungelenke Sprache lassen keinen Zweifel daran: der Mann schlägt immer noch zu - aber er ist müde. Natürlich wird er den Gegner zu Boden hauen, mit brachialer Urgewalt. Und trotzdem selbst blutüberströmt dastehen, wenn die Menge ihm zugrölt.

Man könnte sich keinen Besseren vorstellen als Jake Gyllenhaal mit seinem zarten, melancholischen Gesicht, um diesen Boxer zu spielen. Für seine Rolle war ursprünglich Eminem vorgesehen, der nun zum Soundtrack des Films von Musikvideospezialist Antoine Fuqua viel beigesteuert hat. Irgendwie erinnert diese Boxerstory auch an die berüchtigte und von Eminem selbst oft besungene Geschichte des weißen Rappers und Underdogs, der sich aus dem Slum ganz nach oben kämpft.

Sicher folgt "Southpaw" zunächst dem klassischen Muster des amerikanischen Actionkinos: es geht um die liebe Familie und ihre Wiedervereinigung. Billy Hope ist verheiratet mit einer Frau, die er noch aus seinen Ghettozeiten kennt (Rachel McAdams). Eine wunderbare Tochter haben sie auch. Sie wohnen in einer Riesenvilla und fahren einen Bentley, sind aber immer noch die authentischen Typen aus dem Volk - "from the block". Eines Tages macht Billy einen entsetzlichen Fehler, und die geliebte Frau stirbt bei einer Schießerei. Wodurch Hopes sportlicher, sozialer und privater Abstieg beginnt, und die Notwendigkeit, sich erneut nach oben zu kämpfen, um seine Tochter zurückzugewinnen, die ihm das Jugendamt weggenommen hat. "Soutpwaw" ist der erste US-amerikanische Film, der komplett von einem chinesischen Produzenten finanziert und speziell für den chinesischen Markt produziert wurde. Daher die Story vom Selfmade-Man, die im turbokapitalistisch wachsenden China sicher mehr Zuschauer anspricht als im Westen, der diese Geschichten längst in- und auswendig kennt. Rapstars wie Eminem oder 50 Cent - der hier als Hopes Manager zu sehen ist - dienen da nicht nur als kulturindustrielle Exportgüter, sondern auch als lebensechte Beweise dafür, dass ein solcher Aufstieg wirklich möglich ist. Billy Hope macht, allen Widrigkeiten zum Trotz, Hoffnung.

Das Interessante dieses chinesischen Einflusses liegt aber vor allem in der Form. Der Film erzählt seine Aufsteigergeschichte sehr schnell und effizient - zackig wie im Hongkong-Kino. Die Boxkämpfe werden als TV-Übertragungen gezeigt, als schnell vorbeiziehender und wenig haften bleibender Bilderfluss. Gyllenhaal huscht durch den Ring wie durch die Handlung. Vom Pool seiner Villa auf eine Gala und in ein Polizeirevier nach dem Tod seiner Frau. Dann weiter in Gerichtssäle und heruntergekommene Boxhallen, bis nach Las Vegas zum finalen Fight.

Im asiatischen Blockbuster-Kino ist diese Geschwindigkeit eher dazu geeignet, von einem Action-Höhepunkt zum anderen zu führen und die Virtuosität von Kämpfen und Spektakeln zu maximaler Entfaltung kommen zu lassen. Bei Fuqua aber wird gar nicht so viel gekämpft: einmal am Anfang, einmal am Ende. Zwischendurch prügelt Gyllenhaal nur halb depressiv, halb zornig auf Boxsäcke ein. Das Schnelle und Gebeutelte der Abfolge der Situationen beschreibt eine Welt, in der man sich auf nichts verlassen kann, außer auf die Härte und Kraft von Körpern. Was Hope einst aus dem Slum gerettet hat, wird ihm nun zum Verhängnis, wie ein Fegefeuer der Gewalt, das ihn, seinen Körper, seine Liebsten auffrisst.

Das eigentliche Thema des Films liegt damit in einer gewissen Traurigkeit, die von Anfang an präsent ist. Sichtbar schon in Hopes Mitgenommenheit nach dem ersten Kampf, dann im tragischen Tod seiner Partnerin. "Southpaw" ist ein Boxerfilm, der ähnlich wie Martin Scorseses Meisterwerk "Raging Bull" weniger vom Boxen erzählt als von der Passionsgeschichte eines Boxers. Also von seiner Frau.

Vor ihr wird er zum traurigen Biest, dem die Nichtigkeit seiner körperlichen Kraft bewusst wird. Bei Scorsese blieb die Frau von De Niros Figur Jake La Motta eine unerreichbare, ephemere, madonnenhafte Gestalt. Bei Fuqua ist die Frau Mutter, Geliebte und Managerin, die Billy Hope "gemacht" hat und alles für ihn entscheidet. Ohne diese Frau, die ihm niemand zurückbringen kann, ist er: nichts. Indem er sie verliert, verliert er alles. Und an diesem Verlust ist Hope - wie einst La Motta - selbst schuld. Wenn er in den Ring steigt, dann um zu sühnen. Was Hope am Ende zurückgewinnt, ist sicher ein wenig Hoffnung. Aber sie blutet.

Southpaw, USA 2015 - Regie: Antoine Fuqua. Buch: Kurt Sutter. Kamera: Mauro Fiore. Mit Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams. Tobis, 124 Minuten.

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