"Valley of Love" im Kino:Will ein Toter sie wieder zusammenbringen?

"Valley of Love" im Kino: Ein Händedruck - immerhin: Gérard Depardieu und Isabelle Huppert in "Valley of Love".

Ein Händedruck - immerhin: Gérard Depardieu und Isabelle Huppert in "Valley of Love".

(Foto: Concorde Filmverleih)

Gérard Depardieu und Isabelle Huppert sind grandios verloren in "Valley of Love", einer wilden Passionsgeschichte in der Wüstenhitze.

Von Fritz Göttler

Das ist das Schlimmste, was einem als bekannter Schauspieler passieren kann, und nicht mal, wenn man in die Wüste geht, bleibt man offenbar davon verschont. Man wird erkannt von einem urlaubenden Fremden, ich komm jetzt nicht auf den Namen, aber das Gesicht . . . Und dann sitzt der Mann abends am Tisch und die Langeweile, die er verspürt, wandelt sich in Aufdringlichkeit.

Ich hab da vor langer Zeit mal eine Geschichte geschrieben, erklärt er unternehmungslustig, darf ich Ihnen die mal schicken . . . Gérard schaut unglücklich und versucht, sich aus der Affäre zu ziehen: Sehen Sie, wenn ich etwas geschickt bekomme, schaue ich den Titel an, und wenn der mir nicht gefällt, lehne ich ab. Deshalb habe er, fügt er hinzu, um seine Entschiedenheit zu pointieren, nicht in "Rainman", "E. T." und "Godfather" gespielt.

Gérard, verkörpert von Gérard Depardieu, und seine Frau Isabelle, die mit am Tisch sitzt, verkörpert von Isabelle Huppert, sind für ein paar Tage ins berühmte Death Valley gekommen, wo die Hitze ihnen gehörig zu schaffen macht und die anderen Touristen erst recht.

Sie wissen nicht wirklich wohin

Die Wohneinheiten, die die Gäste aus aller Welt aufnehmen, haben sich in ihrer sandfarbenen Monotonie der Wüste angepasst. Es ist eine location, an der man eine Komödie oder wenigstens bitter-komische Effekte erwartet - Erich von Stroheim hat es demonstriert, als er zum Finale seines Films "Greed" seine zwei Helden zum erbitterten Kampf gegeneinander dorthin jagte.

Der Filmemacher Guillaume Nicloux liebt in seinen Filmen das Spiel mit Spontaneität und Kontrolle. In der Wüste aber verändert sich die Materie des Erzählers, die Zeit und ihr Verlauf; man verliert sein Erzählen aus dem Griff, was bleibt, ist oft die reine Präsenz. Nicloux' Kamera folgt Gérard und Isabelle in langen Travellings, von hinten, aber der Eindruck ist trügerisch, sie wissen nicht wirklich, wohin. Der Weg ist fremdbestimmt. Zwei Briefe von ihrem Sohn Michael haben sie ins Tal des Todes geholt. Geschrieben, bevor er Selbstmord begangen hat.

Isabelle verlangt von Gérard, er solle ihr den langen handgeschriebenen Brief vorlesen, der an sie adressiert ist, als könnte sie dadurch das Gespinst aus Verantwortung und Schuld, Sühne und Mitleid irgendwie entwirren. Gérard tut es, und wie seine Augen dabei übers Blatt irren, mal schneller werden, mal stocken - das ist unglaublicher Suspense.

Natürlich spekuliert Nicloux ein wenig mit den Schwierigkeiten, die es in der Wirklichkeit zwischen Depardieu und seinem verstorbenen Sohn Guillaume, ebenfalls Schauspieler, gegeben hat. Für ihn seien die Toten nicht tot, schreibt Gérard Depardieu in seinem Buch "Es hat sich so ergeben": "All diese Menschen, die weggegangen sind, sind bei mir in meinem Alltagsleben", heißt es da, "jene Menschen, die mir zur Seite gestanden haben oder denen ich zur Seite gestanden habe, ob in der Freude, bei Problemen, in der Wut oder der Liebe, die sind nicht tot. Die ganze Zeit sind sie um mich herum, und wir unterhalten uns."

Der schwitzende, stöhnende, enervierte Gérard, verkörpert von Depardieu, der in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit malträtiert und mit Spott und Hohn überhäuft und Flüchtling unter Putins Schutz wurde, das ist eine grandiose Figur. Er zeigt, wie jede echte Würde sich aus Lächerlichkeit speisen mag. In der Wüste spielt man nicht, da ist man allein mit den Schatten seiner Vergangenheit. In ihrer Jugend, im Jahr 1980 haben Depardieu und Huppert schon mal zusammen agiert, in "Der Loulou" von Maurice Pialat.

Die Weite der Wüste zieht sich um die zwei Menschen zusammen, die einander seit Langem entfremdet sind. Will der tote Sohn sie wieder zusammenbringen? Wird er ihnen nach den Stationen im Death Valley erscheinen? Was bezweckt er damit, klagt Gérard, dass er uns in dieses Loch schickt. Eine Pilgerschaft? Eine Bestrafung? Soll ich hier krepieren? Eine Passionsgeschichte. Isabelle und Gérard sind am Ende auch körperlich versehrt, Gérard hat Blut an den Händen. Der Tod des Sohnes lastet auf ihnen. Wir haben ihn gemacht, sagt Gérard, also ist es unsere Verantwortung.

Valley of Love, F/Belgien 2015 - Regie, Buch: Guillaume Nicloux. Kamera: Christophe Offenstein. Schnitt: Guy Lecorne. Mit: Isabelle Huppert, Gérard Depardieu, Dan Warner, Aurélia Thiérrée, Dionne Houle. Concorde, 91 Minuten.

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