Drama:Mutter gesucht

Drama: Kim Basinger, die Frau hinter den Spiegeln.

Kim Basinger, die Frau hinter den Spiegeln.

(Foto: Farbfilm Verleih)

Ein deutsch-dänisches Thrillermärchen mit US-Star Kim Basinger in der Hauptrolle: "Um jeden Preis" erzählt von einer Frau, die unbedingt ein Kind will.

Von Fritz Göttler

Komm und finde mich, Mami, flüstert das Kind, das noch nicht wirklich von dieser Welt ist, seiner möglichen Mutter zu. Ein Mutterschaftsfilm, der die vertrauten Beziehungen und Entwicklungen auf den Kopf stellt. Das Kind ist nicht urwüchsig, entstanden im Bauch der Mutter, von ihrem Fleisch und Blut. Es ist in seiner eigenen Welt, und die Mutter, die sich danach sehnt, muss es suchen: Hier bin ich . . .

Seit zehn Jahren versuchen wir es, fährt Peter seine Frau Maria an, immer wieder ist sie schwanger geworden, aber erfolglos, und die letzte Schwangerschaft hat sie in Lebensgefahr gebracht. Jetzt ist Schluss, sagt Peter, er sagt es sehr gemein und brutal, aber sie will nicht hören. Die Besessenheiten der Mütter, das war schon immer bester Kinostoff, von Hitchcocks "Psycho" bis Polanskis "Rosemary's Baby".

Sie waren zwei Minuten tot, erklärt der Arzt Maria und Peter, das heißt, von diesem Moment an ist nichts mehr wie es gewesen ist. Maria wird, wenn sie doch noch ihren Kinderwunsch zu erfüllen versucht, die normale Welt verlassen. Ihre Geschichte wird zärtlich und grausam zugleich sein, wie es nur in Märchen möglich ist. Sie fährt heimlich los, an die deutsche Grenze, weil dort, wo man mit Drogen und der Liebe auf die freieste Weise handelt, viele Prostituierte ihre Kinder entweder wiederum für die Prostitution bestimmen oder sie weggeben und verkaufen. Mit Hilfe eines kleinwüchsigen Junkies will Maria hier ihren Kinderdeal durchziehen.

Kim Basinger war in den Achtzigern ein Bond-Girl für Sean Connery ("Never Say Never Again") und dann die coole Kumpelfrau für Robert Redford ("The Natural"), Richard Gere ("No Mercy") oder Bruce Willis ("Blind Date"), 1997 wurde sie dann zur Inkarnation der femme noir in "L. A. Confidential". Anders Morgenthaler, Animationskünstler und Filmemacher, hat ihr die Mutter in "Um jeden Preis" auf den Leib geschrieben. Und Basinger war von Morgenthalers Animationsfilm "Princess" so fasziniert und erschreckt, dass sie zusagte.

Schon "Princess" war eine Studie in Mutterschaft, die größte Emotion und der größte Schrecken gingen hier zusammen, die schönste Intimität und die stärkste Barbarei. Es ist eine herzzerreißende Racheorgie, von einem Mann, der seine kleine Nichte retten will, fünf Jahre alt - ihre Mutter, seine Schwester ist an Drogenexzessen gestorben und hat das Mädchen allein zurückgelassen. Sie war in vielen Pornofilmen der Star und deshalb sind ihre Bilder nach ihrem Tod brutal präsent in der Öffentlichkeit. Also geht er los mit dem Mädchen, um die Bilder auszulöschen und all jene, die sie in die Welt schicken.

Peter Aalbæk Jensen hat Morgenthalers Filme koproduziert, der Kumpel und Produzent von Lars von Trier, die zwei haben immer noch größte Lust auf Experimente. "Um jeden Preis" ist unsagbar billig produziert, mit einem Scheinwerfer und drei Objektiven, und ganz ohne Lichtbestimmung im Labor nach dem Dreh. Wenn Anders Morgenthaler erzählt, wie er mit seinem Kameramann Sturla Brandth Grøvlen, der bis dahin lauter Kurzfilme gedreht hatte, Szenen aus dem Nichts heraus konzipierte, dann übertrifft er damit mit Leichtigkeit noch die großen Erfinderregisseure des fantastischen Kinos wie Ulmer, Tourneur oder Murnau. Offenbar ist dieser Film auch eine Keimzelle zu dem Film "Victoria", mit dem Sebastian Schipper eben die deutsche Kinolandschaft aufgemischt hat. Schipper spielt den sturen Mann von Basinger und hat sich Sturla Brandth Grøvlen hinter seine Kamera geholt und ihn zu jenem halsbrecherischen Mehr-als-zwei-Stunden-Take motiviert, aus dem "Victoria" besteht.

Ich bin hier, sagt das Kind zu seiner Mutter - das Kino als Versteckspiel. Die Liebe zwischen Mutter und Kind ist die reine Konspiration.

I Am Here, Deutschland/Dänemark 2014 - Regie, Buch: Anders Morgenthaler. Kamera: Sturla Brandth Grøvlen. Schnitt: Olivia Neergaard-Holm. Musik: Jóhann Jóhannsson. Mit: Kim Basinger, Jordan Prentice, Sebastian Schipper, Peter Stormare, Robert Hunger-Bühler, Anouk Wagener, Nina Fog, Sabine Haupt. Farbfilm Verleih, 93 Minuten.

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