Jugendroman:Sein Name ist Mae Bee

Lesezeit: 2 min

George Lester: In all seinen Farben. Aus dem Englischen von Elisa Valérie Thieme. One, Köln 2021. 384 Seiten, 12,90 Euro. Ab 13 Jahren. (Foto: Verlag)

Georg Lester plädiert in seinem autobiographischen Roman "In all seinen Farben" für Drag Queens und gegen Homophobie

Von Florian Welle

Contouring-Puder, Foundation-Stick, Eyeliner, Rouge, Lippenstift. Robins beste Freundin Natalie ist geübt darin, andere ins kalte Wasser zu werfen. Genau das, was Robin braucht, nachdem er eine Absage von der Schauspielschule erhalten hat und nicht weiß, wie es nach dem letzten Schuljahr weitergehen wird. Sein Selbstbewusstsein ist am Boden, aber genau jetzt zerrt die quirlige Nat ihn kurzerhand zur "Make-up-Shoppingtour" und hilft so seinem Glück auf die Sprünge.

An seinem 18. Geburtstag waren die beiden bei der Drag Show "Dragcellence". Seitdem denkt er an kaum etwas anderes, als sich zu verkleiden und glitzerbunt zu schminken. Aber gleich zur Tat zu schreiten, hatte er eigentlich nicht vor. Es ist der Beginn einer am Ende erfolgreichen Verwandlung, so viel sei verraten. "Öffne deine Augen, dein Herz und deinen Verstand - wer weiß, was du entdeckst", rät eine erfahrene Queen dem Newcomer Robin, bevor er sich endgültig ins Rampenlicht wagt. "Boy Queen" heißt das Debüt des Briten George Lester, der weiß, wovon er schreibt. "That Gurrrl" nennt er sich als Drag Queen und feiert damit Bühnenerfolge. Aber auch der deutsche Buchtitel "In all seinen Farben" passt. Der Roman breitet nicht nur in der sehr komischen Szene im Kosmetikladen das ganze Spektrum der Schminkpalette vor uns aus. Vordergründig geht es um die Konzeptkunst Drag, doch ganz allgemein darum, zu sich selbst zu finden und sichtbar zu werden. Mit anderen Worten: zu schillern. Damit steht "In all seinen Farben" ganz in der Tradition der Coming-of-Age-Geschichten.

Vor allem ist die Geschichte eine wahrhaftige Auseinandersetzung mit Mobbing und Homophobie.

Robins öffentliches Auftreten als Drag Queen ist sein zweites Coming-Out. Dass er schwul ist, wissen seine alleinerziehende Mum und sein lässiger Freundeskreis schon lange. Das Thema spielt in dem Roman nur indirekt eine Rolle. Robin hat was mit Connor am Laufen, dessen Freunde jedoch Homosexuelle verachten. Mehr noch: Sie haben Robin schon einmal verprügelt, während Connor unbeteiligt daneben stand. Trotzdem hat sich Robin in ihn verliebt in der Hoffnung, sie könnten eines Tages ihre Zuneigung offen zeigen. Doch Connor verleugnet sich, und damit auch ihn, immer wieder. Als er Robin zum ersten Mal geschminkt sieht, findet er das "ekelhaft". Für Robin, der bereit war, für Connor eine riesengroße Lüge mit all ihren Konsequenzen zu leben, das entscheidende Wort zu viel. Von ganz anderem Format scheint da Seth zu sein, der Neue an der Schule.

George Lesters extrem dialoglastiger Erstling - epische Beschreibungen sind gar nicht seine Sache - kommt nur auf den ersten Blick unterhaltsam, schrill und verspielt daher. Vor allem ist die Geschichte eine wahrhaftige Auseinandersetzung mit Mobbing und Homophobie, wobei Worte genauso verletzen wie rohe Gewalt. Wir tauchen ein in die Welt der Drag Queens, und der Autor räumt dabei mit einigen Klischees auf. Beispielsweise, dass es eine rein männliche Angelegenheit ist. Drag ist Konzeptkunst, der Name, den jeder und jede für die Bühnenfigur wählt, Programm. So nennt sich im Buch eine Drag "Anne Drogyny", eine andere in Anspielung auf "Dorian Gray" von Oscar Wilde "Dory Ann Slay". Robins Künstlername wird "Mae Bee" werden. Abgeleitet von "maybe" , weil er lange geglaubt hat, gar kein Talent zum Singen, Tanzen und Schauspielern zu haben. "In all seinen Farben" ist ein Plädoyer für Mut, Toleranz und Geschlechtervielfalt. Man kann George Lester dafür nur mit den Worten des Buches gratulieren: "Condragulations." (ab 13 Jahre)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: