Favoriten der Woche:Für Fans von "Moonlight"

Favoriten der Woche: Es ist die erste Hauptrolle der R'n'B-Sängerin Teyana Taylor.

Es ist die erste Hauptrolle der R'n'B-Sängerin Teyana Taylor.

(Foto: Universal Pictures)

Sängerin Teyana Taylor verzaubert mit einem fantastischen Song: Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Kino: "A Thousand And One"

New York in den Neunzigern: Frisch aus dem Gefängnis, entführt die eigensinnige Inez ihren sechsjährigen Sohn Terry aus seiner Pflegefamilie - eine letzte, unausweichliche Straftat für den Neuanfang. In einer sich rasend schnell verändernden Stadt kämpft sie fortan mit unbändiger Liebe für eine bessere Zukunft. Die Geschichte dieser wankenden Existenz ist erst einmal keine neue. Dass "A Thousand And One", der beim Sundance-Filmfestival ausgezeichnete Debütfilm von Regisseurin und Drehbuchautorin A.V. Rockwell, dennoch so überraschend kraftvoll und mitreißend ist, hat mehrere Gründe.

Zunächst ist da Teyana Taylor: Die R'n'B-Sängerin, zuvor nur in kleineren Rollen zu sehen, ist phänomenal in ihrer ersten Hauptrolle als so verzweifelte wie toughe Mutter. Ihre Darstellung trägt das tonnenschwere Gewicht von Inez' Entbehrungen. Es ist zweifelsohne Taylors Durchbruchsfilm. Auch von Regisseurin A.V. Rockwell wird man wohl noch hören. Ihr Drama ist hart und zart zugleich, eine nachdenkliche, von smoothem Hip-Hop und Jazz begleitete Chronik Schwarzer Elternschaft, die Mutter und Sohn über mehr als zehn Jahre hinweg folgt - mit drei verschiedenen Schauspielern für Terry im Alter von sechs, dreizehn und siebzehn Jahren, was Erinnerungen an "Moonlight" auslöst. "A Thousand And One" ähnelt Barry Jenkins' oscarprämiertem Film im erzählerischen Feingefühl, mit dem er von Schwarzer Identität, Lebensrealität und systemischer Ungleichheit erzählt. Aber Rockwell gibt ihrem Film auch ganz eigene Qualitäten: ein stärkerer Fokus auf die weibliche Perspektive etwa, aber vor allem ein klarer sozialpolitischer Kontext.

Die Stadt um Inez und Terry herum verändert sich. Zu Beginn sieht man ein pulsierendes Harlem, am Ende der Giuliani-Ära ist die Nachbarschaft vor lauter Gentrifizierung nicht wiederzuerkennen, willkürliche Polizei-Durchsuchungen auf der Straße sind an der Tagesordnung, und der neue Vermieter drängt Inez und Terry aus dem Haus. Das Wunderbare: "A Thousand And One" wirkt trotzdem nie didaktisch. Rockwell schafft es, solche Kommentare nahtlos in eine intime Familienstudie einzuweben. Der schlaueste und berührendste Film über soziale Ungerechtigkeit in Amerika seit Langem. Annett Scheffel

Pop: "One Wayne G" von Mac DeMarco

Favoriten der Woche: Der Singer/Songwriter Mac DeMarco hat seine Festplatte ausgemistet und dabei viel Schönes entdeckt.

Der Singer/Songwriter Mac DeMarco hat seine Festplatte ausgemistet und dabei viel Schönes entdeckt.

(Foto: Chris Pizzello/Invision/AP)

Der kanadische Hyper-Slacker Mac DeMarco hat ein neues Album, und wenn man das so sagt, weckt es doch sehr falsche Assoziationen. Also anders, so, dass das Erwartungsmanagement stimmt: Der kanadische Hyperslacker Mac DeMarco hat seine Festplatte ausgemistet, nicht wahnsinnig zielstrebig offenbar, eher weiträumiges Drag and Drop, und das Resultat heißt nun "One Wayne G" (Mac's Record Label), hat irgendwas mit Wayne Gretzky zu tun und ist acht Stunden und 43 Minuten lang. Zusammengesetzt aus 199 Songs, die meistens heißen wie ihr Aufnahmedatum ("20190205") und im herkömmlichen Sinne auch eher keine Songs sind, manchmal noch nicht mal Skizzen, sondern selbst für DeMarco-Verhältnisse arg verzogene Soul-Kauzigkeiten, schnatternde und blubbernde Indie-Fuddeleien, Marihuana-harzige Slow-Jam-Funk-Grooves. Beinahe alles rein instrumental. Einiges aber auch seltsam charmant. Jakob Biazza

Literatur: Dostojewskis "Weiße Nächte"

Favoriten der Woche: Fjodor Dostojewski: Weiße Nächte. Roman. Anaconda, Köln 2007. 96 Seiten, 3,95 Euro.

Fjodor Dostojewski: Weiße Nächte. Roman. Anaconda, Köln 2007. 96 Seiten, 3,95 Euro.

(Foto: Anaconda Verlag)

Warten auf die große Liebe, das ist das Thema von Dostojewskis frühem Roman "Weiße Nächte", der 1848, vor 175 Jahren, erschien. Das Werk zeigt bereits das sozialpsychologische Interesse des großen russischen Autors. Hier der namenlose "Träumer", der ein trostloses, einsames Leben führt und sich in Fantasiewelten flüchtet - dort Nastenka, die ein nicht minder trostloses Leben führt, doch ihre einzige Chance ergreift. In St. Petersburg kommt es zur Begegnung, und in vier Nächten erzählen sie sich alles. Eine Liebe entsteht - zart bei ihr, wie ein Vulkan bei ihm - , und sie verspricht sich dem Träumer. Doch im Himmel des Glücks gibt es keine Ewigkeit. Nastenkas alter Verehrer kehrt zurück, sie widerruft ihr Versprechen, und ihm ist, "als wäre ich schon gestorben". Für Tragik aber ist kein Raum. Der Träumer erkennt, dass Liebe nicht Besitz ist, sondern Hingabe, Zuwendung, Achtung. Und er begreift, dass nichts besser ist als das wirkliche, tief erfahrene Leben. "Mein Gott! Ein voller Augenblick der Seligkeit! Ist das etwa zu wenig für ein ganzes Menschenleben?" Marc Hoch

Klassik: Krönungshymnen von Purcell und Händel

Favoriten der Woche: Händel, Purcell: The Crown - Coronation Anthems.

Händel, Purcell: The Crown - Coronation Anthems.

(Foto: Chateau de (Note 1 Musikvertrieb))

Zu Recht feiert man in Großbritannien den Barockkomponisten Georg Friedrich Händel als größten englischen Musiker. Dabei übersehen die Händel-Fans bisweilen andere ihrer großartigen Komponisten, zum Beispiel John Blow und seinen Meisterschüler Henry Purcell, dem Blow seine Stelle als Organist von Westminster Abbey überließ. Beide sind dort zwischen den Königen begraben - Händel natürlich auch - und schrieben himmlische Musik, bevor der Händel-Sound über alles Vorhergehende hinwegwalzte. Chor und Orchester der Opéra Royal de Versailles unter Leitung von Gaétan Jarry haben nun Krönungshymnen nicht nur von Händel, sondern auch von seinem genialen Vorgänger Purcell aufgenommen.

Händels "Zadok the Priest" hat sicherlich noch jeder im Ohr, der Charles' Krönungsfeierlichkeiten verfolgt hat, vielleicht kennt man auch noch "My Heart Is Inditing", aber was ist mit der gleichnamigen Vertonung des Psalms "Mein Herz richtet sich auf etwas Gutes" durch Henry Purcell? Hier erklingt die zauberhafte Komposition nach einem angemessenen Fanfarenspektakel und mit einem groß besetzten gemischten Chor. Es ist nicht mehr jener authentische Klang, den etwa der King's College Choir Cambridge in seiner legendären Aufnahme demonstriert. Das liegt zum Teil an der Besetzung, die allerdings auch schon bei den englischen Kathedralchören demnächst zu Ende ist. Politisch korrekt werden die ehemaligen Knabenchöre geschlechtlich gemischt aufgestellt, womit eine Jahrhunderte alte Musikästhetik, ein spezieller Stimmklang, dahinstirbt. Der ist mit gemischten Chören nicht zu erreichen, und selten gelingt die Mischung wenigstens klanglich so sauber wie bei der Krönungsfeier von Charles III.

Der Versailler Chor versucht erst gar nicht, auf dieser Tradition aufzubauen, sondern geht seinen eigenen zeitgemäßen Weg. Manchmal leider ein wenig nebulös, um Purcells Dissonanzklängen auszuweichen, statt sie zu akzentuieren, insgesamt aber von beachtlicher Qualität. Inzwischen haben ja durchweg französische Ensembles die ehemals führenden Alte-Musik-Gruppen aus den Niederlanden und Belgien in ihrer Vormachtstellung abgelöst - deutsche Ensembles spielen mangels heimischer Unterstützung und Interesse keine Rolle. Helmut Mauró

Streaming: François Truffaut-Retrospektive

Favoriten der Woche: Regisseur François Truffaut bei Dreharbeiten Mitte der Sechzigerjahre.

Regisseur François Truffaut bei Dreharbeiten Mitte der Sechzigerjahre.

(Foto: Roy Cummings/imago/Cinema Publishers Collection)

Als "homo cinematicus" bezeichnete die New York Times einst François Truffaut - und wenn jemand diesen Titel verdient, dann wohl er. Der Streamingdienst LaCinetek, der im Schatten des Netflix-Mainstreams immer ein paar schöne Klassiker im Angebot hat, widmet Truffaut derzeit eine kleine Online-Retrospektive. Neben neun seiner eigenen Filme sind dort auch sieben seiner Lieblingsfilme abrufbar, die sein Schaffen stark beeinflusst haben und über die er im Buch "Die Filme meines Lebens" geschrieben hat. Truffaut, der seine Karriere als Kritiker bei den Cahiers du Cinéma begann und das Kino als seine Filmhochschule bezeichnete, ist ohne die Werke von Carl Theodor Dreyer, Jean Renoir oder Charles Chaplin gar nicht zu denken. Ab und an muss man sich im manischen Durcheinander der Superheldenfilme der Gegenwart einfach eine ordentliche Dosis Klassiker gönnen, um nicht verrückt zu werden. David Steinitz

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