"Dope" startet im Kino:"Dope" zerschießt Klischees

Film Dope

Streber: Malcolm (Shameik Moore) findet "Dope" in seiner Tasche.

(Foto: Sony )

Rick Famuyiwa hat eine unabhängige und wüste Komödie über drei schwarze Ghetto-Kids gedreht. Doch in "Dope" geht es nicht wirklich um Drogen.

Filmkritik von Susan Vahabzadeh

Die Oscars mögen eine Angelegenheit weißer Männer sein - der Gegenentwurf dazu ist seit mehr als dreißig Jahren das Sundance Film Festival, das jeden Januar in Park City stattfindet. Dort laufen die Filme, die außerhalb des Studiosystems für viel weniger Geld produziert wurden, und drum gibt es dort Angehörige aller ethnischen Zuordnungen, gerne auch weibliche, in Hülle und Fülle. Das diesjährige Festival fiel mit der #OscarsSoWhite-Debatte zusammen und wurde dann prompt von den amerikanischen Medien für seine Vielfalt gelobt, als sei die etwas Neues.

Der passende Film zur Debatte war allerdings schon im vergangenen Jahr in Sundance der Publikumsliebling, "Dope" von Rick Famuyiwa - eine wüste Komödie über die Vorurteile, mit denen schwarze, sexuell nonkonform orientierte Jugendliche in den ganz schlechten Vierteln sich herumschlagen müssen. Gleich drei davon stehen im Zentrum von "Dope", zusammen ausgegrenzt, denn oweh - sie sind gut in der Schule und halten sich von kriminellen Aktivitäten fern.

Das Motiv der Außenseiter hat in Teeniekomödien Tradition

Ghetto-Kinder und Popkultur, das gehört irgendwie zusammen. Malcolm (Shameik Moore) findet das auch, aber seine Herangehensweise ist nicht straßentauglich: Er hat eine akademische Disziplin daraus gemacht, er ist besessen vom Hip-Hop der Neunziger und vom dazugehörigen Kino, aber er geht es, ein Nerd durch und durch, streng wissenschaftlich an. Noch weniger straßentauglich sind seine Aussichten auf ein Harvard-Stipendium; seinen beiden einzigen Schulfreunden Jib (Tony Revolori) und dem Mädchen Diggy (Kiersey Clemons) geht es auch nicht viel besser. Der Hausmeister der Schule hat die drei in sein Herz geschlossen, und allein das ist natürlich schlimmer als eine ansteckende Krankheit.

Das Motiv der Außenseiter, die alle besiegen, hat in Teeniekomödien eine lange Tradition, der Filmemacher Rick Famuyiwa ("Brown Sugar") macht hier aber sehr vieles schön unerwartbar. Die Mädchen, auf die die drei Anti-Versager ein Auge haben - auch Diggy, das Mädchen in der Clique, zieht sie den Jungs vor -, sind meistens gar nicht so abgeneigt, sie haben ihre eigenen Vorstellungen, worauf es ankommt.

Überhaupt treibt Famuyiwa in "Dope" ein schönes Spiel mit Rollenklischees - die meisten seiner Figuren wollen sich so gar nicht in die für sie vorgesehenen Verhaltensmuster fügen - bis auf eine vielleicht: Drogendealer und Kiez-Großkotz Dom. Dem fällt Malcolm in die Hände, als er über die falsche Kreuzung radelt, und um nicht vermöbelt zu werden, muss er Doms Angebeteter (Zoë Kravitz) eine Einladung zu einer Party überbringen. Die hat auf einen wie Malcolm gerade gewartet, denn er kann ihr bei der Vorbereitung auf ihren Zulassungstest fürs College helfen, das hat er Dom schon mal voraus. Und so geraten Malcolm, Diggy und Jib auf eine Veranstaltung, auf die sie nicht gehören, und haben am nächsten Morgen eine Knarre, eine Tasche voller Dope und ein Riesenproblem am Hals.

Auch Independent-Filme selbst begegnen Vorurteilen - dieser ist schnell und schrill und komisch

Im Independent-Kino-Bereich, wo das Geld knapp ist, gibt es immer reichlich Filme, in denen Amerika nicht weiß und männlich ist, weil es die Filmemacher auch nicht sind; Ryan Coogler ("Creed") und Ava Duvernay ("Selma") wurden dort gefördert, Rick Famuyiwa ist in Sundance mit seinen Filmen Stammgast. Zu glauben, alles, was in dieser Independent-Szene entsteht, sei automatisch schwer verdauliche Kost, ist eben auch ein Vorurteil: "Dope" beispielsweise, produziert von Forest Whitaker, Pharell Williams und Sean Combs, ist schnell und laut und schrill, auf Geschwindigkeit geschnitten, eine Hommage an seine wendigen Vorbilder, den frühen Ghetto-Kids-Filmen, "Boyz n the Hood" beispielsweise; Malcolms Hemden sind etwa genauso schlimm wie einst die von Cuba Gooding jr., aber der Tonfall ist leichter in "Dope".

Denn Malcolm bekommt zwar erst einmal eine Panikattacke und lässt sich fast in den Sumpf hinabziehen - aber wie er und seine Freunde dann den Kopf aus der Schlinge hinaus manövrieren, ist ziemlich trickreich erfunden und gefilmt. Es ist dann nicht das untypische Verhalten selbst, das die Sache komisch macht, es sind die Reaktionen all jener, die das Trio unterschätzt haben - am lustigsten ist Malcolms Showdown mit dem Betreuer für sein Harvard-Stipendium; weil der ein Gegner ist, dem man die Niederlage, ein paar Jahre Knast und die Pest an den Hals wünscht.

Was die drei Freunde da abziehen - das ist alles, für eine Teenie-Komödie, recht subversiv, man möchte sagen: unartig. Es ist eben nicht das klassische Hollywood, das hier die Welt verklärt; Malcolm ist nur ein so guter Junge, wie es die Umstände erlauben. Mit Moral hat "Dope" wenig am Hut, aber wenn es hier am Ende eine gibt, dann lautet sie: Der Klügere wäre bescheuert, wenn er nachgäbe, solange er noch Hacker-Freunde hat, die wissen, wie man Konten auf die Namen anderer Leute anlegt, ohne Spuren zu hinterlassen.

Dope, USA 2015 - Regie und Buch: Rick Famuyiwa. Kamera: Rachel Morrison. Mit: Shameik Moore, Tony Revolori, Kiersey Clemons, Kimberly Elise, Chanel Iman, Zoë Kravitz. Sony, 103 Minuten.

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