Donald Trump und die Mauer:Build! The! Wall!

Bilder des Tages A television team reports in front of one of the eight prototypes of the border wal

Acht Mauerstücke an der Grenze zwischen Tijuana und San Diego.

(Foto: Agencia EFE/imago)

Donald Trump will die Mauer zwischen den USA und Mexiko. An der Grenze wurden nun die ersten Entwürfe getestet. Besuch einer der bizarrsten Architekturausstellungen aller Zeiten.

Reportage von Jürgen Schmieder

Tijuana. Der Blick fällt vom rostigen Grenzzaun auf den dreibeinigen Hund und dann hinüber zu der Frau ohne Schuhe, die vor ihrem ärmlichen Lehmhaus herumsitzt. Es riecht nach Gas und Müll und auch sonst nicht gut. Wer aus dem sauberen und sicheren Surfer-Kalifornien hierher kommt, in die dreckige und gefährliche mexikanische Grenzstadt Tijuana, der muss aufpassen, dass er nicht zu gebannt ist von dieser Mischung aus Müllkippe und Slum direkt an der Grenze. Denn dort ist seit drei Monaten eine der wahnwitzigsten Ausstellungen für einen der irrsten Wettbewerbe in der Geschichte der Architektur zu sehen.

Und um die geht es. Hinter dem Grenzzaun, keine 100 Meter entfernt auf der amerikanischen Seite, stehen ordentlich aufgereiht acht Prototypen von Baufirmen für die Mauer, die US-Präsident Donald Trump seinen Wählern mit dem Stadion-Schlachtruf "Build! The! Wall!" (Baut! Die! Mauer!) versprochen hat. Ende Oktober wurden sie enthüllt, um sie zu testen. In dieser Woche gingen die Tests zu Ende. Trump hat seinen Besuch mehrmals angekündigt, jetzt will er wirklich kommen.

Der rührend hilfsbereite Mann von der amerikanischen Grenzbehörde Customs & Border Protection (CBP) sagt, dass der beste Ort zum Begutachten das Armenviertel Magisterial außerhalb von Tijuana sei. Er schickt sogar GPS-Koordinaten. Wer die Prototypen von hier aus betrachten will, muss durch eines der mindestens 200 Löcher im jetzt schon existierenden Grenzzaun gucken oder auf ihn hinaufklettern, was nicht schwerfällt, weil er aus Helikopter-Landeplatten zusammengesetzt wurde, die vom Vietnamkrieg übrig geblieben waren, und deswegen mit seinen horizontalen Blechwellen eine prima Leiter bietet.

Trump sagt: "Niemand baut Mauern besser als ich!"

Wie so häufig im Leben sehen Dinge anders aus, wenn man sie mit eigenen Augen sieht: Die Prototypen wirken gewaltiger, bedrohlicher, hässlicher. Und auch absurder. Es ist nicht leicht, über diese Gebilde zu berichten, ohne dass es sensationslüstern klingt. Vielleicht so: René Peralta lehrt Architektur an der San Diego State University und leitet eine Firma für urbane Entwicklung in Tijuana. Er besitzt beide Staatsbürgerschaften und pendelt zwischen beiden Ländern, seit er ein kleiner Junge ist. "Eines der Kriterien ist, dass die Mauer ästhetisch ansprechend sein soll. Zumindest von der amerikanischen Seite aus", sagt er, während er auf einen Haufen aus alten Autoreifen steigt und über den Zaun blickt. Trump ist vage bei seinen Ausführungen, er sagt immer nur, dass die Mauer "groß" und "schön" sein müsse. Natürlich sagt er dann auch oft: "Niemand baut Mauern besser als ich!"

Der erdig-rötliche Prototyp ganz im Osten sieht aus wie eine Gartenmauer, die Leute nach einem Griechenland-Urlaub um ihr Grundstück bauen. Der Metall-Vorschlag daneben sieht aus wie eine Mischung aus Käsereibe und Gefängniszelle. "Man möchte ja gerne wissen, was auf der anderen Seite los ist", sagt Peralta über die Eisenstäbe auf der unteren Hälfte. Die dritte Variante von links hat diese blaue Farbe, die deutsche Häuslebauer verwenden, wenn sie sich für verwegen halten.

An vier Prototypen ist oben eine Art Rohr angebracht. Das soll wohl das Rüberklettern erschweren. Auf einem Prototyp, der verblüffend nach Berliner Mauer aussieht, ist ein Stahlzaun angebracht, der zur mexikanischen Seite geneigt ist. Peralta sagt nichts dazu, er schüttelt nur den Kopf.

Was einem noch auffällt, ist die majestätische Symmetrie: acht Mauerstücke, jeweils zehn Meter hoch und zehn Meter breit, jeweils zehn Meter Platz dazwischen. Es hängt ja immer alles mit allem zusammen, gerade an so einem Ort, und man muss aufpassen, dass einen die Symbolik nicht erdrückt. So wie eine Brücke Verbindung und Überwindung von Grenzen symbolisiert, so steht eine Mauer für Trennung und Gefangenschaft. Aber wofür stehen acht Mauerstücke mit ordentlich Platz dazwischen? "Wer durchschlüpfen möchte, der wird auch künftig einen Weg finden", sagt Peralta: "Die Drogenkartelle sind mächtig, bestens vernetzt und technologisch entwickelt. Die lachen sich kaputt, wenn sie diese Dinger sehen."

Die Frau ohne Schuhe ist aus ihrem Haus gekommen und putzt einen Hundehaufen weg. Das wirkt todtraurig, als würde jemand einen winzigen Kaugummi von einer Müllhalde entfernen. Die will man jetzt nicht fragen, was sie von den Prototypen hält. Vielleicht lieber erst Hector Lopez. Der hat einst fürs amerikanische Militär gekämpft, dann ist er wegen kleinerer Delikte mit Marihuana nach Mexiko abgeschoben worden. Er kommt immer wieder mit anderen ehemaligen Soldaten hierher an diesen Ort, der so etwas wie eine Touristenattraktion geworden ist. Es ist Dienstagnachmittag, am Abend wird sich Trump selbst dafür applaudieren, der Präsident der Veteranen zu sein. "Ich war gut genug, für dieses Land zu töten. Ich war gut genug, für dieses Land zu sterben", sagt Lopez: "Aber ich bin nicht gut genug, in diesem Land zu leben."

Lopez spricht mit den amerikanischen Touristen, die jeden Tag hierherkommen: "Ich möchte ihnen erklären, dass wir Mexikaner nicht so sind, wie uns Mister Trump darstellt." Hat eigentlich irgendwer bemerkt, dass es auf mexikanischer Seite kaum Proteste gibt gegen diese Prototypen und die geplante Mauer? Die mexikanische Regierung hat mehrmals und deutlich gesagt, dass sie keinesfalls für dieses Gebilde zahlen werde und dass sie eine Mauer für eine ziemlich schwachsinnige Idee halte. Es hat aber hier, bei den Prototypen, bislang keine Demonstrationen gegeben, keine Schlachtrufe, keine Versuche, die Pfeiler zu beschmieren, zu beschädigen oder gar abzureißen. Die Leute nennen das "poder del silencio". Die Macht des Schweigens. Ob der Schreihals Trump das kapiert?

Trump feilscht seit Wochen um die Finanzierung der Mauer

Die Grenze zwischen Mexiko und den USA erstreckt sich, auf eine Europakarte übertragen, von Paris bis hin zum bulgarischen Warna am Schwarzen Meer. Es gibt unwegsames Gelände wie Canyons, Berge, Wüste und Flüsse. Es wird beim Prototypen-Wettbewerb keinen Sieger geben, das war von vornherein klar. Es kann sein, dass für den kalifornischen Abschnitt die Terrakotta-Variante gewählt wird und für New Mexiko die Käsereibe mit Durchblick. Die US-Regierung hat mehr als 20 Millionen Dollar für diese Tests ausgegeben, die - welch ein Zufall - am Dienstag, am Tag von Trumps Rede zur Lage der Nation, beendet worden sind.

Die offiziellen Ergebnisse sollen erst in ein paar Wochen verkündet werden, doch natürlich sickerte kurz vor Trumps Auftritt öffentlichkeitswirksam durch: Alle haben bestanden! Die CBP-Mitarbeiter haben die Prototypen in den vergangenen Wochen mit Vorschlaghämmern, Flammenwerfern und Spitzhacken bearbeitet, sie haben gebuddelt und sind auf die Mauerstücke geklettert. Und nun sagt ein Beamter, der offiziell mit niemandem reden darf, ganz offensichtlich jedoch mit jedem spricht und stets die gleichen Sätze wiederholt: "Die Dinger funktionieren. Einen Test mussten wir abbrechen, weil ein Kollege, der es nach Dutzenden von Versuchen tatsächlich nach oben geschafft hatte, nicht mehr runtergekommen ist. Wir mussten ihn mit dem Hubsteiger retten."

Es hängt immer alles mit allem zusammen, gerade an so einem Ort. Trump durfte während seiner Rede also noch einmal für den Bau einer "großartigen Mauer" werben. Er will die Sieger höchstselbst küren und deshalb bald an die Pazifikküste reisen. Es wäre sein erster offizieller Auftritt in Kalifornien seit Amtsantritt. Er, der während seiner Rede für eine geeinte Nation und kalifornische Mitarbeit warb, kommt dann eben doch nur deshalb an die Westküste, um Symbole der Trennung zu begutachten.

Die Mauer wäre das teuerste öffentliche Gebäude in der Geschichte der Menschheit

Trump feilscht seit Wochen um die Finanzierung der Mauer, die in seinem Wahlkampf-Weltbild noch immer Mexiko übernehmen soll. Trumps Budget liegt bei 21 Milliarden Dollar, anderen Schätzungen zufolge könnte diese Mauer am Ende auch das Dreifache kosten. Es wäre das teuerste öffentliche Gebäude in der Geschichte der Menschheit. Der Kongress hat bereits 1,8 Milliarden Dollar zur Instandhaltung der bestehenden Mauern und Zäune bewilligt. Es gibt ja schon Grenzanlagen, manche rostig wie hier in Tijuana, manche beinahe futuristisch wie die patrouillierenden Drohnen über dem Rio Grande.

Aber was wird da nun abgeschottet? Gerade an einem Ort wie Tijuana. Wer vom Grenzzaun ein paar Schritte nach hinten macht, der sieht: links die Fabrik eines amerikanischen Unternehmens, das hier ziemlich billig produziert. Dahinter noch eine US-Fabrik. Und noch eine. Und noch eine. Danach: ein amerikanisches Schnellrestaurant. Und noch eins. Und noch eins. Man kann überall in Tijuana, selbst in der schäbigsten Bar, mit amerikanischen Dollars bezahlen. Jeder, wirklich jeder spricht Englisch. Auch das kleine Mädchen, das aus den Favelas kommt und Limonade an die amerikanischen Touristen verkaufen will. Sie hätte dafür gerne einen US-Dollar.

Peralta deutet auf ein Schild, das auf eine Erdgasleitung zwischen Mexiko und den USA hinweist, deshalb also der Gestank: "Die läuft unter uns und unter der Grenze hindurch und wird auch künftig unter einer Mauer hindurchlaufen." Diese Prototypen, die zwei Stunden zuvor so gewaltig und bedrohlich ausgesehen haben, wirken nun klein, ja geradezu lächerlich. "Sie sind Symbole der Segregation an einem Ort, an dem die Leute seit Jahrzehnten Nachbarn und Freunde sind", sagt Peralta: "Tijuana hat mehr mit San Diego gemein als mit Mexico City."

Es gibt inzwischen Petitionen, die Prototypen zu erhalten, egal ob die Mauer gebaut wird oder nicht. Sollte man diese Prototypen also als Konzeptkunst betrachten? Oder als bizarre Architekturausstellung? "Ich weigere mich, das hier als Ausstellung zu sehen, dafür geht es um das Leben zu vieler Menschen", sagt Peralta: "Sie sind ein Symbol für verkorkste politische Ansichten. Sie sollten zu einem Mahnmal werden, zu einem Anlass für eine Debatte über Interaktion."

Letzte Frage: Was würde er dem US-Präsidenten bei dessen Besuch gerne sagen? "Ich würde ihm erklären, dass die Beziehung zwischen San Diego und Tijuana eine Symbiose ist, die durch Abgrenzung und den Bau einer Mauer geschwächt würde. Diese Grenze könnte ein Beispiel für Zusammenleben und Interaktion sein. Ich hoffe, dass er das versteht."

Es hängt immer alles mit allem zusammen. Mexikaner lieben Symbole, das sieht man schon am Grenzübergang ein paar Meilen weiter westlich. Sie wollen einem Kreuze und Marienbilder verkaufen, Gitarren und Rasseln, mexikanische und amerikanische Flaggen. Symbole für Religion, Kultur, Lebensweise. Es könnte sein, dass sie einem in ein paar Jahren Mini-Versionen dieser Prototypen hinhalten. Die Frau ohne Schuhe lächelt, als sie das hört. Sie heißt Rosalia und wohnt seit Jahrzehnten hier. Den Prototypen und ihrem Auftraggeber begegnet sie mit dem, was Donald Trump vielleicht am meisten fürchtet: mit völligem Desinteresse und der Macht des Schweigens.

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