Es gibt Momente, in denen zeigt der eigene moralische Kompass auf einmal in die entgegengesetzte Richtung. April 2013 zum Beispiel. Anfang des Monats war Margaret Thatcher, einst der wohl einflussreichste konservative Premier unserer Zeit und zuletzt eine bettlägerige 87-Jährige, in ihrem Hotelzimmer in London gestorben. Wenige Tage später stürmte das Lied „Ding-Dong! The Witch is Dead!“ die UK-Single-Charts. Kurz diskutierte man bei der BBC, ob man das Lied, wie für Nummer-eins-Hits üblich, in der Chartshow spielen oder aus Pietät besser auf die schwarze Liste setzen solle. Dann entschied man sich (Gott segne die britischen Öffentlich-Rechtlichen) für einen Kompromiss: Man spielte das Lied, aber nur für fünf Sekunden. Meine englischen Freunde und Kommilitonen, Menschen, deren Urteilskraft ich ansonsten für tadellos hielt, grölten den damals 74 Jahre alten Schlager durch die Flure unseres Colleges. Halb Großbritannien taumelte vor Glück. Endlich war die Hexe tot.
Attentat auf Donald Trump:Zum Totlachen
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Menschen machen Witze über das gescheiterte Attentat auf Donald Trump – und jene, die sonst hauptberuflich die Meinungsfreiheit verteidigen, fordern Konsequenzen. Gedanken zur beliebten Frage: Was darf Satire?
Von Nele Pollatschek
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