Süddeutsche Zeitung

"Don't Worry Darling" im Kino:Störgeräusche

Der Thriller "Don't Worry Darling" mit Popstar Harry Styles fiel bislang vor allem durch großes PR-Theater auf. Aber wie ist eigentlich der Film?

Von Florian Kaindl

Dieser Text könnte vom Umsturz des patriarchalen Systems erzählen, zumindest im Film, und davon, "was Frauen gemeinsam erreichen können", wie es die Regisseurin Olivia Wilde unverdrossen in Interviews formuliert. Man fragt sich allerdings, ob sie das ernst meinen kann, nachdem man ihren Thriller "Don't Worry Darling" gesehen hat und das, was rund um den Kinostart an Schlagzeilen entstanden ist.

Die Beteiligten gaben auf der Werbetour in der Öffentlichkeit ein Bild ab, das irgendwo zwischen Schulhofstreit und PR-Laientheater einzuordnen ist. Mittendrin: die Regisseurin Olivia Wilde. Hauptdarstellerin Florence Pugh redet nicht mehr mit ihr, angeblich weil Wilde am Set zu sehr mit dem Hauptdarsteller und Pop-Superstar Harry Styles beschäftigt war, der ihr neuer Boyfriend ist. Styles kam als Ersatz für Shia LaBoeuf, den Wilde gefeuert haben will. Wobei LaBoeuf behauptet, er sei selbst gegangen. Was er mittels eines für Wilde unvorteilhaften Videomitschnitts zu belegen versucht, in dem sie ihn bittet zurückzukommen. Und dann gab es noch den PR-Stunt zwischen Styles und seinem Co-Darsteller, dem Bösewicht Chris Pine (im Film, nicht im Leben): Hat der eine dem anderen in den Schoß gespuckt? Das Internet hat sich von den Youtube-Clips immer noch nicht erholt. Was darüber ein bisschen in Vergessenheit geriet: der Film.

Morgens Spiegelei und Schmatzer, abends Steak und Sex auf dem Esstisch

Dabei fängt "Don't Worry Darling" verheißungsvoll an. Wilde hat ihren ersten Spielfilm nach ihrem gefeierten Regiedebüt "Booksmart" (2019) als Emanzipationsgeschichte angelegt. Schauplatz ist Victory, eine kleine US-amerikanische Mustersiedlung in den Fünfzigern und zugleich ein klaustrophobisches Paradies. Alice (Florence Pugh) und Jack Chambers (Harry Styles) führen dort mit ihren Freunden ein Leben, in dem es ihnen materiell an nichts fehlt. Alle Paare haben ein schickes Haus mit akkurat getrimmtem Rasen und weißen Gartenzäunen davor. Die Männer fahren jeden Morgen in Cadillacs zur Arbeit am mysteriösen Victory Project, das nicht weniger als die Veränderung der Welt zum Ziel hat. Die Frauen vertreiben sich die Zeit am Pool, beim Ballett oder Shoppen und kümmern sich um Haus und Herd. Morgens Spiegelei und Schmatzer, abends Steak und Sex auf dem Esstisch. Bis die idyllische, auf Hochglanz polierte Vorstadtfassade allmählich Risse bekommt.

Die Störgeräusche sind erst leise vorhanden, werden dann immer lauter: ständig dieses wabernde Brummen im Hintergrund, als ob alles jederzeit in die Luft fliegen könnte. Eier, die nur aus einer leeren Hülle bestehen. Flashbacks, in denen Alice das Gefühl hat zu ertrinken. Eine Melodie, die ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Ein Flugzeugabsturz in der Wüste, den außer ihr niemand mitbekommt. Und schließlich die Nachbarin, die plötzlich von rot gekleideten Gestalten abtransportiert wird.

Wilde macht Florence Pugh zur Einzelkämpferin gegen übermächtige Widerstände. Die harmonische Gemeinschaft entpuppt sich als totalitäres System: Alle hören auf Victory-Gründer Frank. Für Chris Pine ist der charismatisch-dämonische Anführer eine Abkehr vom Image als All American Boy, den er sonst überwiegend spielt. Anfangs wirkt Frank wie ein manipulatives Genie, das geschickt Abhängigkeiten schafft und seine Mitmenschen an sich bindet. Insbesondere Jack: Bis zur totalen Erschöpfung tanzt der zum Geburtstag des Chefs auf der Bühne, was ein exklusiver Moment für Harry Styles ist und gleichzeitig einer, in dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.

Dass im Showdown zwischen Frank und Alice trotzdem kein rechter Thrill aufkommt, liegt am Drehbuch, das den Alleinherrscher letztlich wie einen primitiven Bully dastehen lässt, und an den blassen Nebenfiguren ohne Profil. Olivia Wilde spielt sogar selbst eine von ihnen: Ihr Beitrag als Freundin beschränkt sich allerdings darauf, der zweifelnden Alice alles auszureden und ihr Vorwürfe zu machen. Von weiblicher Solidarität keine Spur. Ähnlich sieht es mit den anderen aus, Männern wie Frauen: Wir erleben sie in dramatischen Szenen, es geht um Leben und Tod, und trotzdem lässt einen das merkwürdig kalt. An anderen Stellen trägt Wilde dann so dick auf - eine wilde Verfolgungsjagd durch die Wüste -, dass sie wie impulsive Einfälle daherkommen. So bleibt die ambitionierte Story leider Stückwerk, obwohl sie beeindruckend aussieht.

Das größte Potenzial verschwendet Wilde bei Harry Styles. Die meiste Zeit, bis auf den spektakulären Soloauftritt, tänzelt er treuherzig durch die Handlung, als würde er sein Publikum bei einem Konzert entertainen. Schade, denn gerade in seiner Figur liegt der Schlüssel zur dunklen Wahrheit des Films und damit der (völlig obsoleten) Frage, ob das Leben der Frauen noch jemand anderem gehört außer ihnen selbst.

Don't Worry Darling, USA 2022 - Regie: Olivia Wilde. Mit: Florence Pugh, Harry Stiles, Chris Pine. Warner, 122 Minuten. Kinostart: 22.9.2022.

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