Die Entfremdung fängt am Boden an. „Ich wurde unter einem Tisch geboren“, schreibt die italienische Autorin Dolores Prato gleich zu Beginn dieser unvergleichlichen Erzählung. „Schick sie zu ihrer Mutter zurück, siehst du nicht, dass sie uns im Haus stirbt“, ruft der Onkel, der gerade nach Hause kommt. Und das Mädchen Dolores fühlt zum ersten Mal Schmerz, Angst und Einsamkeit. Es lebt in Treja, einem kleinen Ort in den italienischen Marken, bei seiner Tante Paolina und seinem Onkel Domenico, „Zizí“, einem Priester. Ihre leibliche Mutter hat Dolores, ein uneheliches Kind, an die beiden Geschwister gegeben. Von wirklicher Zuneigung kann nicht die Rede sein. Die Tante, die zum Mutterersatz wird, bringt nicht viel mehr heraus als: „Nun ist sie einmal da.“ Der Onkel immerhin vermittelt Dolores Wissen, er ist nicht nur Priester, sondern Hobbywissenschaftler, er zeigt ihr Blumen und seltene Steine. Irgendwann wandert er nach Buenos Aires aus. Der Ort kann zwar nichts dafür, aber auch hier fühlt sich das Kind fremd: „Ich gehörte nicht zu Treja, Treja gehörte zu mir.“
Roman „Unten auf der Piazza ist niemand“:Der Zauber der kleinen Dinge
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Mit jahrzehntelanger Verzögerung erscheint das Lebenswerk der italienischen Schriftstellerin Dolores Prato jetzt auf Deutsch. Ein monumentaler Roman.
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