Dokumentarfilm:"Meine Schönheit war ein Fluch"

Die Doku "Geniale Göttin" über die erstaunliche Zweitkarriere der Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr.

Von Kathleen Hildebrand

Es gibt biografische Komponenten, die man dem Klischee nach im Leben einer klassischen Hollywood-Schönheit erwarten könnte, turbulente Ehen, exzessiver Lebensstil, Schönheitsoperationen. Was man eher nicht erwartet: dass diese Hollywood-Schönheit nachts nach Drehschluss noch eine Verschlüsselungstechnologie für Torpedosignale erfindet, die heute in jedem Smartphone steckt.

Zugegeben, die Geschichte von Hedy Lamarr, welche die Regisseurin Alexandra Dean in ihrem wunderbaren Dokumentarfilm "Geniale Göttin" erzählt, ist nicht ganz unbekannt. Man kann ihr perfektes, immer etwas katzenhaftes Gesicht schon seit den Neunzigerjahren nicht mehr allein unter "Old Hollywood" und "galt als schönste Frau der Welt" abheften.

Damals erschien im amerikanischen Magazin Forbes ein Porträt von Lamarr, laut dem sie im Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem Komponisten George Antheil das sogenannte Frequenzsprungverfahren entwickelt hatte. Um die Kommunikation zwischen U-Boot und Torpedo abhörsicher zu machen, sollten die Signale ständig zwischen mehreren Funkfrequenzen hin und her wechseln. Die amerikanische Marine aber nahm die Idee nicht ernst. Stattdessen empfahl man ihr, doch lieber öffentlich Küsse zu verkaufen, um Geld für den Krieg zu sammeln. In den Fünfzigerjahren wurde ihr Patent wiederentdeckt. Heute wird die Idee zur sicheren Übertragung von Mobilfunk-, Wlan- und Bluetooth-Signalen verwendet und ist Milliarden wert.

Kinostarts - 'Hedy Lamarr - Secrets of a Hollywood Star'

Hollywood wollte sie wegen ihres Aussehens. Nach Drehschluss erfand Hedy Lamarr das Frequenzsprungverfahren, das heute in Smartphones verwendet wird.

(Foto: dpa)

Alexandra Deans Dokumentation porträtiert Hedy Lamarr als intelligente Frau, die wegen ihrer außergewöhnlichen Schönheit dazu verurteilt war, in der Öffentlichkeit niemals irgendetwas anderes als schön zu sein. "Man darf nicht Hedy Lamarr sein - und klug", heißt es an einer Stelle. Und sie selbst sagte: "Meine Schönheit war mein Fluch." Noch heute glauben trotz anderer Beweislage manche, Lamarr habe die Idee für ihre Technologie bei ihrem ersten Ehemann, einem österreichischen Waffenfabrikanten, aufgeschnappt. Dass sie selbst genial gewesen sein könnte, scheint einfach nicht vorstellbar. Aber in den Schichten unter dieser sicher richtigen These zeichnet der Film ein noch viel komplexeres Bild von den vielen Leben der Hedy Lamarr, von denen jedes einzelne Stoff für einen Film abgäbe.

Die kleine Hedwig Kiesler wächst in einer wohlhabenden Familie in Wien auf und entdeckt früh Naturwissenschaften und Technik für sich. Mit fünf soll sie eine Spieluhr allein auseinander- und wieder zusammengebaut haben, Chemie ist ihr Lieblingsfach. Heute würde man so ein Mädchen in alle erdenklichen Mint-Initiativen stecken, aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das anders. Außerdem findet Hedi, vollkommen gesellschaftskonform, das Ursache-Wirkung-Prinzip ihrer Schönheit bald noch faszinierender. Sie steht Bohème-Fotografen nackt Modell und spielt mit 18 im Skandalfilm "Ekstase" einen der ersten weiblichen Film-Orgasmen. Hitler verbietet das Werk in Deutschland. Nicht wegen der Nacktheit, sondern weil Hedwig Kiesler Jüdin ist. Kurz darauf heiratet sie einen reichen Mann, langweilt sich als Deko-Ehefrau und flieht - vor ihm und den Nazis - nach Paris, wo MGM-Chef Louis B. Meyer sie anwirbt. Hollywood aber weiß nicht viel mit ihr anzufangen, vor allem wegen ihrer skandalösen "Ekstase"-Vergangenheit. Ihre Hauptrolle in Cecil B. DeMilles "Samson und Delilah" bleibt einer der wenigen echten Höhepunkte ihrer Karriere. Danach produziert sie einen historischen Monumentalfilm und geht bankrott. Es folgen weitere Ehen, drei Kinder und immer wieder diese Geistesblitze, die sie für ein Land mit dem Unternehmerethos der USA eigentlich prädestinierten. Lamarr erkennt das Potenzial von Aspen, Colorado, als Ski-Resort und baut dort ein Hotel, das sie bei der nächsten Scheidung wieder verliert, weil sie ein Double zur Gerichtsverhandlung schickt, anstatt selbst zu erscheinen.

Im Alter zeigt sich ihre Verstrickung in die gesellschaftlichen Konventionen am tragischsten. Die Schönheitsoperationen (deren Technik sie mit Ideen für unsichtbare Schnitte verbessert) führen irgendwann zu weit. Sie zieht sich zurück. Für das Frequenzsprungverfahren bekam Hedy Lamarr spät im Leben noch Anerkennung. Geld bekam sie nie. Das Patent war längst ausgelaufen, als sie von seiner Verwendung erfuhr.

Bombshell: The Hedy Lamarr Story - USA 2018, Regie und Buch: Alexandra Dean. Kamera: Buddy Squires, Schnitt: Linda Jankura. NFP, 90 Min.

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