Süddeutsche Zeitung

"Die grüne Lüge" im Kino:Veränderung lässt sich nicht erschmusen

Man kann ja leider nicht wirklich ökologisch handeln als profitorientierter Unternehmer. Kathrin Hartmann zeigt in "Die grüne Lüge", warum das so dreist wie politisch verheerend ist.

Von Philipp Bovermann

Die Umweltbewegung bemüht sich länger schon, sexy rüberzukommen. Keiner soll abgeschreckt werden durch kratzige Baumwollpullis, die nach schlechtem Gewissen riechen. Verbote sind verboten, lieber möchte man "Angebote machen", so heißt das, in Form positiver grüner Gefühle. Die gibt es in Form von Nachhaltigkeitszertifikaten im Supermarkt zu kaufen.

Das Gegenmodell ist die Autorin und "Greenwashing"-Expertin Kathrin Hartmann. Gerade ist sie im Dokumentarfilm "Die grüne Lüge" von Werner Boote zu sehen. Mit ihm geht sie auf ein Nachhaltigkeitsevent der Industrie, in einem roten Cocktail-Kleid. Die anwesenden Herren grinsen und sind mit sich zufrieden. Hartmann grinst nicht und ist nicht zufrieden. Aber sie lächelt, als sie einen der Smokingträger fragt, wie denn die Investitionen in Tankstellen mit dem grünen Image zusammenpassen, für das er sich hier feiern lässt.

Es gibt Leute, die rollen bei solchen Fragen die Augen. Man unterstellt Menschen wie Hartmann dann die schlechte Laune, die man in sich selbst wahrnimmt, angesichts der universellen Heuchelei, bei der wir munter alle mitmachen. Dabei ist ihre Botschaft eigentlich eine sehr hoffnungsvolle. In einer Szene des Films stehen sie und Boote auf einem Haufen Schrott. "Du fühlst dich von mir provoziert, weil du ein schlechtes Gewissen hast", sagt sie. Dabei sei es für die Unternehmen praktisch, dass wir uns gegenseitig belauern, wer den größeren Müllberg hat. Das verhindere Solidarität und damit eine echte Umweltbewegung. Grüner Konsum, sagt sie, wälze die Verantwortung für das Klima auf den Einzelnen und seine Kaufentscheidungen ab. Wo dieser als Konsument und nicht als Bürger auftrete, sei er in der Tat so machtlos, wie wir das glauben.

Freiheit war schon immer unbequem. Was Menschen wie Hartmann fehlt, ist das Lächeln des Herrn im Smoking bei der Gala, der sagt, man sei halt letztlich ein "For Profit"-Unternehmen. Als könne man da leider nichts machen. Veränderung bedeute aber, so Hartmann, dass jemand Privilegien abtreten muss, man könne sie sich nicht mit den Firmen "erschmusen". Daher taugen Menschen wie Kathrin Hartmann nicht zum Social-Media-Influencer. Was ihnen fehlt, ist das bequeme Lächeln der Ohnmacht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3918524
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.