Antisemitismus und Documenta:Anonymer Brandbrief

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Mitglieder de Kuratorenkollektivs Ruangrupa bei der Eröffnung der Documenta am 15. Juni. (Foto: Rüdiger Wölk/Imago)

Ein neues Expertengremium wird die Documenta unterstützen. Künstlerinnen und Künstler befürchteten Zensur. Was der neue Geschäftsführer sagt.

Von Jörg Häntzschel

Viele hatten erwartet, nach der wochenlangen Kontroverse um Antisemitismus auf der Documenta würde deren neuer Geschäftsführer, Alexander Farenholtz, nun eine Überprüfung aller Kunstwerke veranlassen, wenn nicht noch drastischere Schritte. Doch das wird nicht passieren.

Der Documenta-Aufsichtsrat hatte am Freitag beschlossen, ein Gremium aus Experten zu berufen, das die künstlerische Leitung beraten solle. Doch diese würden eher punktuell aktiv, so Farenholtz, ein generelles "Screening" der Ausstellung werde es nicht geben. Ohnehin sprächen die Experten allenfalls Empfehlungen aus. Das letzte Wort darüber, wie mit als problematisch empfundenen Werken umgegangen werde, habe in jedem Fall das Kuratorenkollektiv Ruangrupa. "Wenn sie entscheiden, dass sie ein Werk aus der Ausstellung nehmen wollen, können sie das tun. Andernfalls bleibt es dort. Es wird keinen Eingriff in die Handlungsautonomie der Kuratoren geben."

Genau um diese Frage geht es in einem anonymen Brief von auf der Documenta vertretenen Künstlerinnen und Künstlern an den Aufsichtsrat, der am Donnerstag öffentlich geworden, offenbar aber schon einige Tage alt ist. Sie sprechen sich darin entschieden gegen die Einberufung eines Expertenbeirats aus. Ein solches Gremium schaffe eine Atmosphäre der "Einschüchterung, des Misstrauens und der Zensur". Eine "Überprüfung" der Kunstwerke lehne man ab, das Ergebnis werde man nicht akzeptieren, schreiben sie. "Wir kommen aus vielen Ländern, in denen wir mit Zensurgremien und Unterdrückung konfrontiert sind und uns auch weigern, sie zu befolgen. Zensurgremien entziehen dem Publikum die Verantwortung, sich zu engagieren, zu lernen und zu verlernen." Wer die Autoren des Briefs sind und ob darunter auch Mitglieder von Ruangrupa sind, ist nicht klar.

Er verstehe die Sorgen der Künstler, sagt Farenholtz, jetzt muss er sie nur noch ausräumen

Was die Absender des Briefs so empört, ist auch der Umstand, dass das Beratergremium nicht von der Documenta-Leitung selbst einberufen wird, sondern von den Gesellschaftern, also der Stadt Kassel und dem Land Hessen. Die Kuratoren wurden demnach nicht gefragt. Farenholtz verteidigte das Vorgehen. Man wolle so vermeiden, dass in der Öffentlichkeit erneut der Eindruck entstehe, Ruangrupa lasse sich nur von Leuten beraten, die ähnliche Ansichten haben wie sie selbst.

Die Autoren des Briefs klagen außerdem darüber, sie fühlten sich in Kassel diskriminiert und teils sogar bedroht und angegriffen, sie seien "Feindseligkeit und Rassismus" ausgesetzt. Von der Documenta fordern sie ernsthaftere Anstrengungen, "diese Übergriffe" zu verfolgen. Zudem kritisieren sie, dass viele von ihnen nur befristete Visa erhalten haben.

Farenholtz, der sein Amt erst am Dienstag angetreten hat, sagte, er habe viel Verständnis für die Haltung der Künstler. Er habe in den letzten Tagen in vielen Gesprächen versucht, ihre Sorgen auszuräumen und ihnen zu erklären, dass es darum gehe, die kuratorische Freiheit zu verteidigen, aber auch den öffentlichen Druck ernst zu nehmen. Das sei aber offenbar noch nicht bei allen gelungen. In dem Brief lese er aber auch eine große Bereitschaft, zusammenzuarbeiten und die Documenta noch zu einem Erfolg zu machen.

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