Ein elegantes Büro, große Schreibtische, zwei Telefone - das "Rose Valland Institut" wird zu festen Zeiten erreichbar sein. Wer durch den schmalen Ausgang tritt, steht allerdings nicht in einem Flur, sondern mitten im Museum. Denn das "Rose Valland Institut" residiert in Kassels Neuer Galerie. Inmitten der Documenta 14. Gegründet wurde es von der Künstlerin Maria Eichhorn. Ziel ist die unabhängige Erforschung und Dokumentation der "Enteignung der jüdischen Bevölkerung Europas und deren Nachwirkungen", heißt es in einem Newsletter. Darin ruft die Künstlerin dazu auf, Kunstwerke, Antiquitäten, Schmuck und Hausrat, bei dem es sich um Raubkunst handeln könnte, dem Institut zu melden.
Maria Eichhorn erinnert mit ihrer Neugründung an Rose Valland, die während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg die Plünderung der Museen und Privatsammlungen heimlich dokumentierte. Doch geht es der Künstlerin nicht allein um die Aufklärung der Herkunft hochkarätiger Kunstwerke, sondern auch darum, das gewaltige Ausmaß des Raubs an den verfolgten Juden sichtbar zumachen. "Beschlagnahmtes oder geraubtes Gut wurde öffentlich versteigert - allein in Hamburg 45 Schiffsladungen mit Gütern, die man niederländischen Juden geraubt hatte", schreibt die Künstlerin in ihrem "Open Call", mehr als 100 000 Einwohner der Hansestadt waren Bieter auf den Hafenauktionen.Mit dem "Rose Valland Institut" fordert Maria Eichhorn die nachfolgende Generation auf, sich diesem Unrecht zu stellen. Indem man das unrechtmäßig Erworbene - egal wie banal und billig es auch sein mag - aufspürt.
Es kann sein, dass das Rose Valland Institut nach Ende der Documenta 14 eine feste Institution wird, eine deutsche Einrichtung für Raubkunst nach dem Vorbild von Organisationen wie beispielsweise Looted Art in London. Doch als Werk ist es bereits jetzt einer der überzeugendsten Versuche, die Dimensionen des NS-Kunstraubs zu vermessen. Denn wer sich aufmerksam die Fotografien und die Listen ansieht, womöglich in Gedanken den Fragebogen auf ein, zwei ererbte Antiquitäten oder Schmuckstücke beantwortet hat, dem wird womöglich jeder antike Schrank, jeder Sessel und jedes bibliophile Buch, das erst nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in den Familienbesitz kam, suspekt erscheinen.