"Dumbo" im Kino:Selten hat man ein Tier so staunen sehen

Lesezeit: 3 min

Flugpartner: Dumbo, vollständig im Computer erzeugt, und die Artistin Collette (Eva Green). (Foto: Disney)

Grusel- und Gothic-Regisseur Tim Burton hat den Zeichentrick-Klassiker "Dumbo" neu verfilmt - mit digitalen Tieren und düsteren Menschen.

Von Ana Maria Michel

Menschen, die sich verbiegen, als wären sie aus Gummi, die in der Luft tanzen oder Raubkatzen den Kopf ins Maul stecken: Der Zirkus ist der Ort, an dem das Unmögliche möglich ist. Doch es gibt noch eine Steigerung dieses Ortes - sie heißt Kino. Nur im Kino kann ein Tier, das schon bei seiner Geburt gut hundert Kilo wiegt und normalerweise fest mit seinen vier Stampfern auf dem Boden steht, fliegen.

Der kleine Elefant Dumbo mit den großen Ohren hat so bereits vor fast 80 Jahren die Zuschauer verzaubert. Nun erzählen Disney und Tim Burton diese Geschichte neu. Nicht wie 1941 als Zeichentrickfilm, sondern als Realfilm mit Stars wie Danny DeVito, Colin Farrell oder Michael Keaton. Anders als die Schauspieler sind die Tiere im Film nicht echt, sie wurden am Computer gestaltet. Disney zeigt hier, wozu das Kino heute fähig ist. Es wird 2019 nicht die einzige Demonstration dieser Art bleiben. Nach einer Neuauflage von "Aladdin" kommt im Sommer "Der König der Löwen" noch einmal auf die Leinwand - ein Film mit ganzen Horden von computeranimierten Tieren, die wie echt aussehen.

Wie schon im Zeichentrickfilm hat es auch Tim Burtons Dumbo zunächst nicht leicht. "Ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann", ist der Kommentar des Zirkusdirektors Max Medici (Danny DeVito). Das Kind der Elefantenkuh, für die er dem Tierhändler, hier hat Lars Eidinger einen Kurzauftritt, viel Geld gegeben hat, sollte die Kasse klingeln lassen. Dumbo aber wird wegen seiner Ohren nur beschimpft, ausgelacht und dann auch noch von seiner Mutter getrennt. Bald aber überrascht er alle: Der kleine Elefant, der Mühe hat, nicht über die eigenen Ohren zu stolpern, kann fliegen. Sobald ihm eine Vogelfeder vor den Rüssel kommt, hebt Dumbo ab. Hoch oben in der Zirkuskuppel dreht er über den Köpfen der Zuschauer seine Runden.

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Der neue "Dumbo" verwebt die Originalstory des Elefanten mit den Sorgen und Träumen der Menschen. Colin Farrell ist als Holt Farrier so etwas wie die zweite Hauptfigur. Der frühere Trickreiter hat im Krieg einen Arm verloren, nun soll er sich um die Elefanten kümmern. Dabei hat Holt bereits genug mit seiner eigenen Familie zu tun, nachdem seine Frau gestorben ist. Seine Kinder Milly und Joe wollen aber, dass Dumbo wieder mit seiner Mutter zusammen sein darf. Dafür muss der scheue Elefant zeigen, was er kann - und lernen, vor Publikum zu fliegen. Schließlich wird sogar der Unternehmer V. A. Vandevere (Michael Keaton) auf ihn aufmerksam, der den gigantischen Vergnügungspark Dreamland betreibt und mit einer noch nie gesehenen Zirkusnummer Geld machen will. Die Akrobatin Colette Marchant (Eva Green) soll in der Luft auf Dumbo reiten. In Dreamland scheint nichts unmöglich - doch Vandevere kennt die Grenzen nicht.

"Dumbo" demonstriert die Macht des Kinos, als Erbe und Konkurrent von Jahrmarkt und Manegenspektakel

Es ist typisch für Tim Burton, dass seine Version von "Dumbo" düster ist. Das Dunkle sitzt bei Burton jedoch nicht in den Tieren, sondern in den Menschen, die zu viel wollen. Die Helden des Regisseurs sind auch in diesem Film wieder die Außenseiter. Aber dieses Kinospektakel feiert daneben auch sich selbst. Schon in Burtons Film "Big Fish", 2003, spielte die Wunderwelt des Zirkus eine große Rolle. In "Dumbo" nun demonstriert Burton die Macht des Kinos als Erbe und Konkurrent von Jahrmarkt und Manegenspektakel, das Zirkusmagie auch ohne gequälte Wildtiere erzeugen kann. Schon der originale "Dumbo" ließ den Zuschauer staunen, über die Möglichkeiten des Zeichentricks, die entfesselten Linien und Farbflächen. Heute staunt der Zuschauer über die Digitaltechnik, die Wunderwesen erschafft, ohne dass dabei ein Tier zu Schaden kommt.

Selbst der fliegende Elefant wird zu einem Bewunderer der Illusion. Selten hat man ein Tier so staunen sehen wie Dumbo, als er kurz vor seinem großen Auftritt die riesigen rosafarbenen Seifenblasen-Elefanten beobachtet, die in die Luft steigen, um dort zu tanzen. Diese Bilder erinnern an den Zeichentrickfilm, dort waren sie das Ergebnis eines seltsamen Cocktails, der Dumbo und seinem Freund, der Maus Timothy, eine psychedelische Erfahrung bescherte. Manche Zuschauer werden Timothy vermissen, doch Burton braucht keine sprechenden Tiere, Dumbo und die Bilder sind für ihn Wunder genug.

1941 war es auch die Musik, die "Dumbo" kurz vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg zum Erfolg verhalf. Damals gab es einen Oscar für die beste Filmmusik, das Lied "Baby Mine", das auch im neuen Film zu hören ist, war zusätzlich als bester Song nominiert. Dabei war das Geld bei Disney zu dieser Zeit knapp und "Dumbo" eine schnelle Produktion ohne teure Trickfilmtechnik. Nur 813 000 Dollar kostete der Film, selbst wenn man die Inflation berücksichtigt kein Vergleich zum heutigen Budget. Doch schon damals liebte das Publikum Dumbo. Und auch in unserer Zeit, in der aus dem Traum vom Fliegen dank Drohnen oder Lufttaxis ein Albtraum zu werden droht, bleibt der kleine Elefant der Held des Films - ein Kleiner, der alle Großen überflügelt.

Dumbo , USA 2019 - Regie: Tim Burton. Buch: Ehren Kruger. Kamera: Ben Davis. Mit Colin Farrell, Michael Keaton, Eva Green. Disney, 112 Min.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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