"Raya und der letzte Drache":Disney-Großprojekt ohne Herz

Lesezeit: 2 Min.

Federboa mit lahmen Pointen: Die Kriegerin Raya sucht Hilfe bei der magisch-mythischen Drachendame Sisu. (Foto: Disney)

Mit dem Animationsfilm "Raya und der letzte Drache" brechen die Disney-Studios diesmal nach Südostasien auf. Nur leider ist das Abenteuer etwas zu cool geraten.

Von Kathleen Hildebrand

Es hätte so schön sein können. Ein aufwendig animierter Disneyfilm in leuchtenden Farben. Eine weibliche Hauptfigur, die Lichtjahre entfernt ist vom passiven Prinzessinnen-Klischee. Angesiedelt in einer Welt voll reicher Kultur und fantastischer Landschaften, die Disney aber zuvor noch nie zum Schauplatz erkoren hat: Südostasien. Warum nur hinterlässt "Raya und der letzte Drache" trotz all der perfekt zusammengesuchten Zutaten ein so wenig berauschendes Gefühl? Warum fühlt es sich an, als hätte man all das schon dutzende Male gesehen?

Klar, der Film zitiert, was das Zeug hält. Ein bisschen "Mad Max" am Anfang, als die Heldin durch eine rote Wüste fährt - oder besser: reitet, denn ihr Fortbewegungsmittel ist ein riesiges Gürteltier, das zusammengerollt aussieht wie ein prall aufgepumpter Reifen. Dann sehr viel "Indiana Jones", wenn sie die Scherben eines mythischen Juwels erringen muss und dabei in Höhlen und Tempeln allerlei ausgefuchsten Fallen ausweicht. Aber Zitate sind nicht das Problem. Die nutzt ja jeder Animationsfilm, der etwas auf sich hält und der nicht nur Kindern, sondern auch deren Eltern gefallen will.

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Auch die Hauptfigur selbst müsste eigentlich jedes Feministinnenherz höher schlagen lassen: eine Kriegerin für den Frieden, die ihr in fünf Teile gespaltenes Heimatland wieder vereinen will. Raya bekämpft Dämonen - einerseits lila Gewitterwolken, die alles Lebendige in Stein verwandeln, andererseits ihre eigene Unfähigkeit, anderen zu vertrauen. Endlich eine komplexe Disney-Prinzessin, könnte man jubeln.

Doch um zu berühren - und was anderes will ein Disney-Großprojekt, wenn nicht das? - dazu ist alles viel zu cool hier. Die Heldin, die ihre Fahrt durch die Einöde mit den abgeklärten Worten kommentiert "Ich weiß, was ihr denkt. Ein einsamer Reiter in einer dystopischen Welt". Die sich als Proviant selbstgemachtes "Jackfruit Jerky" einpackt. Die sich "Drachen-Nerd" nennt, weil sie den letzten Drachen sucht, der alles wieder richten soll zwischen den verfeindeten Stämmen ihrer Heimat. Das ist die Sprache von US-amerikanischen Teenagern, wie Hollywood sie sich momentan vorstellt. Irgendwo zwischen gelernter Selbstironie und der zwanghaften Suche nach der nächsten Pointe. "Raya" sieht schön aus, aber für solche Dialoge hätte das Kreativteam des Films nicht zur Recherche durch den ganzen Subkontinent reisen müssen.

Der flauschige Drache sieht verdächtig nach Kuscheltier aus

An den mauen Pointen ändert auch der schließlich gefundene Drache Sisu nichts, der eigentlich die Comedy-Rolle spielen soll. Er sieht in seiner pastellenen Federboahaftigkeit verdächtig nach den Kuscheltieren aus, die Disney mit diesem Film wohl verkaufen will. "Ich habe deinen Drachen...duft vermisst", sagt am Ende jemand zu Sisu. Und Sisu antwortet: "Das nehme ich als Kompliment." Von diesem Kaliber sind ungefähr seine Scherze.

"Raya" steht in der Nachfolge von "Vaiana", dem Disney-Erfolg von 2016, der das Publikum ebenfalls in eine filmisch unerforschte Welt führte, nach mit Polynesien. "Vaiana" allerdings hatte gute Witze, großartige Songs vom "Hamilton"-Erfinder Lin-Manuel Miranda und mit dem narzisstischen Halbgott Maui eine wirklich originelle Figur. All das fehlt hier. Vor lauter Coolness-Willen hat man vergessen, diesem Film ein Herz zu schreiben.

Auch die gute Absicht hinter seinem Setting ist nicht ganz aufgegangen. "Raya" will Menschen mit südostasiatischem Hintergrund das schöne Gefühl geben, sich auf der Disney-Leinwand wiederzuerkennen, ein Gefühl, das für weiße Kinder immer selbstverständlich war. Dabei werden aber Kulturen von Ländern wie Thailand, Vietnam, Malaysia und Indonesien so arglos verrührt und amalgamiert, dass manche Kritiker Einspruch erhoben - so progressiv, wie er vorgebe, sei der Film gar nicht.

Die frohe Botschaft, die jeder Disneyfilm braucht, könnte in "Raya" kaum zeitgemäßer sein: Am Ende kann die Welt nur vor den Gewitter-Dämonen gerettet werden, indem die verfeindeten Stämme einander vertrauen. Es wäre dieser Botschaft zu wünschen gewesen, dass sie in einer einfallsreicheren Verpackung daherkäme.

Raya and the last dragon , USA 2021 - Regie: Don Hall, Carlos López Estrada u.a.. Buch: Adele Lim, Qui Nguyen. Mit: Kelly Marie Tran, Awkwafina. 107 Minuten. Auf Disney+.

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