Discounter-Erbin im Achenbach-Prozess:Wider das Aldi-Prinzip

Babette Albrecht als Zeugin im Betrugsprozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach vor dem Landgericht Essen

Ein Lächeln für die Fotografen, ein freundlicher Blick ins Publikum: Babette Albrecht vor dem Landgericht Essen. Die Aldi-Erbin sagte im Verfahren gegen den Kunstberater Helge Achenbach als Zeugin aus.

(Foto: dpa)

Kunst, Oldtimer, rätselhafte Geldspenden: Discounter-Erbin Babette Albrecht gewährt im Prozess gegen Kunstberater Achenbach einen Einblick in den Alltag der Aldi-Familie. So sparsam wie die Einrichtung ihrer Läden waren die Erben offenbar nicht.

Von Bernd Dörries, Essen

Babette Albrecht lässt warten. Fast fünf Minuten braucht der Wachtmeister, um die Zeugin zu finden in den Gängen des Essener Landgerichts. Albrecht ist am Montagmorgen als Zeugin geladen, es wird ein hübscher kleiner Auftritt. Ein Lächeln für die Fotografen, ein freundlicher Blick ins Publikum. Der Richter dankt recht herzlich für ihr Erscheinen. Eine andere Wahl hat man aber auch gar nicht, wenn man als Zeuge geladen ist.

Hausfrau sei sie, sagt Albrecht, 54. Nun: womöglich die reichste der Republik. Die Aussage der Aldi-Erbin ist der wichtigste Bestandteil im Verfahren gegen den Kunstberater Helge Achenbach, der Berthold und Babette Albrecht bei Kunstkäufen um 23 Millionen Euro betrogen haben soll.

Er kaufte Bilder von Gerhard Richter, Picasso und Oskar Kokoschka, Autos von Ferrari und einen mimosengelben Jaguar. "Wir wollten keinen Albrecht-Aufschlag zahlen", sagt die milliardenschwere Discounter-Erbin. Die Galeristen hätten automatisch die Preise angezogen, wenn sie merkten, wer da Interesse hat.

Ob sie und ihr Mann denn wirklich immer erkannt worden seien, will der Vorsitzende Richter Johannes Hidding wissen, schließlich lebten die beiden doch recht zurückgezogen, sei Albrecht doch ein gängiger Name. "Mein Mann, den erkennt man schon, der ist eine Erscheinung, dem sehen sie an, dass er kein normaler Albrecht ist." Sie spricht immer noch im Präsens von ihm.

Der 2012 verstorbene Berthold Albrecht hatte Achenbach 2008 bei Nachbarn in Essen kennen gelernt. "Mein Mann war sonst sehr reserviert", sagt Babette Albrecht, bei dem Treffen "blühte er auf". Die beiden verabreden, dass Achenbach seine Kontakte in der Kunstwelt nutzen solle, um die besten Preise herauszuschlagen. Auf den Rechnungsbetrag sollte es fünf Prozent Provision geben.

Anzeige statt Diskretion

Los gingen die Käufe 2009. "Ein paar Wände waren ja noch frei", sagt Babette Albrecht.

Es ist wohl das erste Mal, dass die Öffentlichkeit einen Einblick bekommt in die sonst so verschlossene Welt der Aldi-Dynastie, was in der Familie nicht für große Begeisterung gesorgt haben soll. Früher hätte man solche Dinge vielleicht diskreter geregelt. Babette Albrecht zeigte Achenbach aber an, als sie merkte, dass der sich viel mehr genommen hatte als die vereinbarten fünf Prozent.

"Rein persönliche Motive", hatten die Anwälte des Kunstberaters anfangs unterstellt, so getan, als handele es sich um die Rache einer zickigen Milliardärin. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Der Kunstberater hat ein Teilgeständnis abgelegt, Albrecht spricht auch jetzt noch freundlich über den "Herrn Achenbach": Der habe sie schon begeistern können.

Kontakt zum Nachlassverwalter Roy Lichtensteins - nach Spende

Albrecht trägt Jeans, Blazer, weißes Rüschenhemd, eine Brille im Haar und eine Tasche von Hermès. Manchmal ist sie sich nicht mehr sicher, was sie mal auf welcher Messe gekauft hat, ob man sich in Basel getroffen hat oder in Miami. "Die sehen doch alle gleich aus."

Vage nur erinnert sie sich an eine Spende an das Museum Ludwig in Höhe von 100 000 Euro. Nach Aussage von Achenbach hatte der Leiter des Kölner Museums, Kaspar König, die Spende zur Bedingung gemacht, im Gegenzug wollte er den Kontakt zum Nachlassverwalter von Roy Lichtenstein herstellen.

Babette Albrecht drückt es so aus: "Wenn es eine Spende gibt, können wir die Dinger kaufen." Die Dinger, das waren dann zwei Arbeiten von Lichtenstein und ein Echtheitszertifikat. Die Finanzbehörden werden sich sicher für die seltsame Spende interessieren, die einiges erzählt über die Zustände im Kunstmarkt, in dem Museen eine Art Durchlauferhitzer sind und Ausstellungen vor allem dazu dienen, Wertsteigerungen zu erzielen.

"Kunst kann man sich wenigstens anschauen"

Betrugsprozess gegen Kunstberater Achenbach

Die als Zeugin geladene Babette Albrecht, Witwe des 2012 verstorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht, betritt im Januar 2015 in Essen den Gerichtssaal beim Prozeß gegen den Kunstberater Achenbach.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Die Kunst war wohl nicht unbedingt die größte Passion von Babette Albrecht. Und ihr Mann habe auch deshalb investiert, weil die "klassischen Zinsen" der Banken nur wenig hergaben. "'ne Aktie ist 'ne Aktie. Kunst kann man sich wenigstens anschauen", sagt sie einmal, und man wollte es halt auch richtig machen. "Wenn wir schon Kunst kaufen, wäre es schön, wenn auch ein Richter dabei ist."

Es werden dann gleich mehrere. Und Gründe, sich für ein Bild zu interessieren, gibt es immer. Weil die Kinder der Albrechts in Großbritannien sind, schlägt Achenbach vor, "doch wenigstens England im Zimmer zu haben". Also zahlt man 950 000 Euro für die "London Tower Bridge". Achenbach machte aus den Dollar auf der Originalrechnung einfach Euro, mit dem Kopierer. "Collagen", nennt Achenbach die Fälschungen. So, als sei er selbst ein kleiner Künstler. Und kein mutmaßlicher Betrüger.

Einmal, so sagt Albrecht, habe man über ein Werk von Picasso gesprochen mit drei Mädchen drauf. Eine zu wenig, fand die Erbin, die vier Töchter hat. Nach ihrer Aussage ist nicht mehr viel übrig von dem Bild, das die Aldi-Familie gerne von sich zeichnete: dass die Gründer so sparsam gewesen seien wie die Einrichtung ihrer Läden. Die Erben haben es doch ziemlich krachen lassen. Für etwa 120 Millionen Euro ließen Berthold und Babette Albrecht einkaufen. Für einen Ausflug in die Schweiz musste ein Allrad-Bentley her.

Irgendwann hatte Berthold Albrecht genug von Kunst und stieg auf Oldtimer um. Den Anfang machte ein Mercedes 380 k aus dem Jahr 1934. Mit ihm flogen die Albrechts nach Kuwait zu einem Autotreffen, bei dem sie zwei Preise gewannen.

Was denn so ein Preis bedeute, will der Richter wissen. "Das ist wie ein Sechser im Lotto", sagt Babette Albrecht. Es ist wohl eine Frage der Perspektive. Bei einem anderen Wettbewerb in Pebble Beach gab es nur den "kleinen Preis", weil der Konkurrent noch das original Krokoleder hatte. Das sei für sie und ihren Mann eine schlimme Enttäuschung gewesen, sagt Albrecht. "Konnten sie wenigstens an der Gewinnerausfahrt auf der Strandpromenade teilnehmen?", fragt der Richter besorgt. Das konnten sie, Gott sei Dank.

Alles eine große Last

Weil Albrecht so zufrieden war mit den Autokäufen des Kunstberaters, schenkte er ihm einen Mercedes 300 Cabriolet für etwa 150 000 Euro. Doch als er geliefert wurde, war zu wenig Benzin drin, der Wagen blieb auf der Rückfahrt nach Düsseldorf stehen.

"Ich bin ein guter Autofahrer", sagt Babette Albrecht. "Aber die großen Mercedes sind sehr groß." Weil ihr Mann mit 1,98 Meter zum Beispiel nicht in den zwölf Millionen Euro teuren 540 k Spezial passte, habe sie den Wagen lenken müssen und auch viele andere. Sie seien sehr schwer zu bedienen, manche hätten Zwischengas. Es sei alles eine große Last. "Wie war das mit dem Blinken?", fragt der Richter einfühlsam. Aber auch das Blinken war wirklich schwierig. Man macht sich ja keine Vorstellung.

Babette Albrecht selbst wünschte sich einen Jaguar in einer ausgefallenen Farbe ("schwarze und rote hatte jeder") und mit Automatik, weil das "bequemer" sei. Achenbach besorgte einen, bei dem es leider durchregnete. Enttäuschend.

Als Achenbach den milliardenschweren Erben kennen lernte, war der schon ein kranker Mann, der manchmal vielleicht auch nicht mehr ganz Herr seiner Sinne war. Im Jahr 2012, als es schon schlimm um ihn stand, schickte Achenbach weiter SMS mit Bilden von Ferraris. "Ich fand das nicht gut. Er hat trotzdem weiter gemacht."

Albrecht kaufte Autos, die er nie gesehen hat. In die er nicht einmal rein passte. Als es ihm kurz ein wenig besser ging, versuchte Albrecht in der Schweiz eine Probefahrt. Der grüne Ferrari war so eng, dass er sich am Arm verletzte. "Da hat er geweint. Das war doch sein Trostpflaster", die Autos, sagt seine Witwe. Wenige Monate später war er tot.

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