Dirk Ippen:"Ich werde meine Unternehmen verschenken"

Dirk Ippen glaubt, dass die Zeitung nicht aussterben wird. Gerade hat er ein neues Druckhaus eingeweiht. Mit der SZ spricht er über die Zukunft der Zeitung, das Internet und seine eigene Nachfolge.

Caspar Busse und Hans Werner Kilz

SZ: Herr Ippen, Sie sind seit den siebziger Jahren nach und nach zu einem Großverleger geworden, haben heute 22 Tageszeitungen, viele Beteiligungen und zwölf Radiostationen. Was ist Ihnen an Ihrer Tätigkeit das Wichtigste - der Verleger, der Kaufmann oder der Publizist?

Dirk Ippen: Dirk Ippen: "Lärm ist für den geschäftlichen Erfolg nicht gut."

Dirk Ippen: "Lärm ist für den geschäftlichen Erfolg nicht gut."

(Foto: Foto: ddp)

Dirk Ippen: Ich habe Beteiligungen an Zeitungen und Radiostationen, aber sehe mich nicht so hoch aufgehängt. Am wichtigsten bei meiner Arbeit ist mir die Freiheit der Gestaltung. Diese Freiheit hat außer dem Unternehmer nur noch der Künstler.

Ich hatte das große Glück, etwas aufbauen zu können - es begann mit der vom Vater ererbten Zeitung in Hamm in Westfalen. Immer schon hat mir auch das Schreiben viel Spaß gemacht - und natürlich die Verbindung zu den Redaktionen.

SZ: Ihr Verhältnis zu den Redaktionen wird als nicht ganz reibungslos geschildert.

Ippen: In meiner Anfangszeit gab es da eine gewisse Distanz. Ich kam ja als Jurist zur Zeitung, ich war dann sieben Jahre Chefredakteur beim Westfälischen Anzeiger in Hamm und wurde damals als Verleger und Chefredakteur in einer Person natürlich kritisch gesehen. Heute ist einer meiner damaligen Kritiker Chefredakteur einer sehr guten Zeitung, an der ich beteiligt bin. Unser Verhältnis ist glänzend - wie überhaupt zu den Kollegen in den Redaktionen, mit denen ich mir einig bin, dass wir mehr denn je von der Kreativität leben.

SZ: Wenn vom Verleger Ippen die Rede ist, steht meistens der Kaufmann im Vordergrund. Wie erklären Sie sich das?

Ippen: Weil ich den größten Teil meines Berufslebens damit verbracht habe, Lokal- und Provinzzeitungen zu kaufen und zu sanieren - andere konnte ich ja nicht bezahlen. Die habe ich dann mit viel kaufmännischer Energie weiterentwickelt. Der Rahmen in Hamm allein wäre mir bei aller Liebe zu Menschen in dieser Stadt einfach etwas zu eng gewesen.

SZ: Geben Sie der Zeitung noch eine Zukunft?

Ippen: Zeitung ist nicht gleich Zeitung. Es gibt große Innovationen: die kostenlose Tageszeitung, die kostenlose Wochenzeitung. Eine Marke wie die Süddeutsche Zeitung wird sicherlich eine Zukunft haben. Und ich behaupte, dass auch die Lokal- und die Hyper-Lokalzeitung eine Zukunft hat. Das zeigt sich in den USA: Hier sind die Großstadtblätter in einer tiefen Krise. Aber Lokalblätter florieren.

SZ: Wir reden also mit Ihnen als Zeitungsverleger nicht mit einem Vertreter einer sterbenden Spezies?

Ippen: Ich habe gerade ein neues Druckhaus der Hessischen Allgemeinen für 50 Millionen Euro eingeweiht. Ich glaube an die Zukunft der gedruckten Zeitung. Andere sehen das genauso, sie investieren, und wenn mal eine Zeitung verkauft wird, wie kürzlich die Braunschweiger Zeitung und bald vielleicht die Süddeutsche, dann stehen Investoren mit tiefen Taschen Schlange.

SZ: Wenn ein Verlag wie Dow Jones an Rupert Murdoch fällt, was geht da in Ihnen vor? Sind Familieninvestoren auf dem Rückzug, werden große Konglomerate entstehen?

Ippen: Es ist eine Konzentration zu beobachten. Es kommen aber auch immer mehr Investoren, die keine gestandenen Verleger sind, aber mit günstig geliehenem Geld die ganze Landschaft umpflügen. In den USA ist diese Entwicklung schon sehr viel weiter. Der gute alte Familienunternehmer ist eher auf dem Rückzug. Eine Ausnahme ist vielleicht Alfred Neven DuMont, der ein Blatt nach dem anderen kauft. Ich freue mich über die Aktivität dieses angesehenen Kollegen, der spielt aber auch in einer anderen Liga als ich.

SZ: Sie sind einer der größten Verleger in Deutschland, warum so bescheiden?

Ippen: Die sogenannte Ippen-Gruppe ist nur eine lockere Verbindung von Zeitungen, an denen neben mir noch andere, teilweise sogar mehrheitlich, beteiligt sind. Die Zeitungen stehen mir auch deswegen nahe, weil ich in jedem Verlag selber aktiv mitgearbeitet habe, oft jahrelang, und deswegen viele persönliche Beziehungen zu Mitarbeitern in den Häusern gewachsen sind. Das Besondere bei uns ist nicht die absolute Größe, sondern bei uns heißt es: "Small is beautiful", und so sind wir immerhin in 80 lokalen Märkten mit 80 Lokalredaktionen unterwegs. Mit kostenlosen Wochenzeitungen sind wir sogar in 100 Märkten zu Hause. Das gibt es sonst kaum in Deutschland.

"Ich werde meine Unternehmen verschenken"

SZ: Spüren Sie nicht die große Zeitungskrise?

Ippen: Wir haben zu kämpfen, aber eine Zeitungskrise hat es bei uns nicht gegeben. Wir haben uns schon vor 30 Jahren so aufgestellt, wie es jetzt nötig ist.

SZ: Muss ein Verleger ein Renditeziel vorgeben?

Ippen: Das Ziel ist nicht, 2007 den möglichst höchsten Gewinn zu erzielen. Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass wir in zehn Jahren auch noch ein stabiles Unternehmen sind. Die Zeitungsbranche war früher sehr verwöhnt. Sie können heute noch mit einer guten Zeitung Renditen erzielen, die in der übrigen Wirtschaft weitgehend unbekannt sind, auch wenn sich die Lage weiter verschlechtert.

SZ: Wie hoch sind denn Ihre Renditen?

Ippen: In den USA gibt es heute noch Zeitungsverlage, die erwirtschaften Umsatzrenditen von über 25 Prozent. In schrumpfenden Märkten kann das aber auch ein Zeichen sein, dass zu wenig für die Zukunftssicherung getan wird. Nur darauf aber kommt es an, nicht auf die laufende Rendite.

SZ: Sie gehen immer sehr geräuschlos vor. Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis?

Ippen: Ich habe schon zu Hause gelernt, dass die Bäume für niemanden in den Himmel wachsen. Lärm ist für den geschäftlichen Erfolg nicht gut. Es ist auch kein Fehler, wenn man unterschätzt wird. Ich weiß noch, als ich 1982 nach München kam und mich für den Münchner Merkur interessierte, da war auch in Ihrer Zeitung von einem Strohmann die Rede, von einem jungen Mann, der den Münchner Merkur und die tz für sich selbst nicht kaufen könnte.

SZ: Sie haben aber auch den Ruf eines knallharten Verhandlers. Die Branche sagt Ihnen Appetit an Ihrem Konkurrenten, der Abendzeitung, nach?

Ippen: Ich habe keinerlei Anzeichen dafür, dass die Familie Friedmann ihre traditionsreiche Zeitung nicht behalten möchte, und auch das Kartellamt hätte in einem solchen theoretischen Fall mitzureden. Diese eigentlich segensreiche Behörde hat noch nicht realisiert, dass viele großstädtische Zeitungsmärkte einfach rückläufig sind.

SZ: Worauf führen Sie das zurück? Ist die Zeitung nicht mehr attraktiv genug?

Ippen: In Deutschland sind die Zeitungen heute besser als vor zehn Jahren. Wenn wir so gute Zeitungen wie heute in Bezug auf Qualität, Aktualität, Präsentation vor zwanzig Jahren gemacht hätten, wären unsere Auflagen damals explodiert. Heute sind wir froh, wenn die Auflagen halten oder nur minimal bröckeln. Zeitung heißt ja Nachricht, aber Nachrichten sind heute überall verfügbar, man muss sogar meist nichts mehr dafür bezahlen.

SZ: Aber das gilt doch auch für Lokalzeitungen?

Ippen: Auf dem Land und in kleineren Städten ist der gesellschaftliche Zusammenschluss noch sehr eng. Da interessiert sich auch der Doktor und die junge Familie für das Schulsportfest, wo die Tochter oder die seines Patienten den ersten Preis gemacht hat. Das steht in der örtlichen Zeitung. Wir sind nicht im Nachrichtengeschäft, unser Geschäft ist es, Teil lokaler Gemeinschaften zu sein.

SZ: Auf dem Land kommt Ihnen doch zugute, dass Sie oft Monopolist sind?

Ippen: Das war früher, vor 20 Jahren gab es Monopolzeitungen. Heute ist der Wettbewerber das Internet, das Lokalradio, das Lokalfernsehen - vor allem der Nicht-Leser. Über das Internet bin ich doch bestens informiert, da finde ich Sachen, die am nächsten Morgen nicht in der Zeitung stehen.

SZ: Viele informieren sich im Internet. Werden Zeitungen künftig nur etwas für Eliten sein?

"Ich werde meine Unternehmen verschenken"

Ippen: Zeitungen dürfen nicht mehr so gemacht werden wie ein Bergwerk, wo ich mir die Mühe machen muss, einzufahren, mühsam vor Ort zu kriechen, um endlich Schätze zu finden. Sie müssen leicht zugänglich sein, denn in der jungen Generation gibt es immer weniger Menschen, die es auf sich nehmen, in dieses Bergwerk einzusteigen.

SZ: Aber viele wollen doch eine Zeitung in der Hand haben. Was Qualität, Einordnung, Analyse angeht, wer sollte da der Zeitung gefährlich werden?

Ippen: Ich hoffe, das bleibt so. Ich vergleiche das aber mit der Filmwelt: Als ich jung war, sind alle ins Kino gegangen, heute nur wenige, aber es gibt das Kino noch. Wenn ich das spezielle Erlebnis mit großer Leinwand und Popcorn will, muss ich ins Kino gehen. Genauso ist es mit der Zeitung. Wenn ich das spezielle Erlebnis beim Frühstück haben will, muss ich zur Zeitung greifen. Aber Informationen bekomme ich auch im Internet.

SZ: Wie viel nimmt das Internet der Zeitung weg?

Ippen: Das Internet ist ein Serienkiller und ist für alle Massenmedien beides: Eine Gefahr und eine große Chance, die größte Medienrevolution seit Gutenberg vor 550 Jahren.

SZ: Sie haben einmal gesagt: Das Internet muss man umarmen. Um es zu erdrücken?

Ippen: Nein, erdrücken können wir es ja nicht. Unsere einzige Chance ist doch, unsere Reichweiten und unsere guten Inhalte - Text wie Werbung - auch auf digitalen Wegen zu verbreiten.

SZ: Viele große Verlage investieren mächtig ins Internet. Und Sie?

Ippen: Es werden Wahnsinnssummen ausgegeben zum Kauf etablierter Portale. Keiner weiß, ob sich das je auszahlen wird. Das machen wir nicht, aber wir bauen eifrig, zum Teil gemeinsam mit Kollegenverlagen, an Internetplattformen, die sich schon recht nett entwickeln. Wir haben wertvolle Inhalte, und die Druckmaschine ist heute nur eine Ausgabeform dafür.

SZ: Vor Jahren schon sind Sie aus dem Verlagshaus in München ausgezogen. War das der Anfang vom Rückzug?

Ippen: Ich wollte damit den Geschäftsführern und dem Management bessere Chancen geben, sich zu Unternehmern zu entwickeln. Ich kenne im Verlag vom Keller bis zum Dachboden alles, habe zu meiner Zeit manches richtig gemacht, aber ich bilde mir nicht ein, auch heute noch alles besser zu wissen. Jeder Mittelständler weiß doch, dass der Junior sich nicht richtig entwickeln kann, wenn der Senior immer daneben sitzt.

SZ: Sie haben drei Söhne, ist einer am Verlagsgeschäft interessiert?

Ippen: Ja, der älteste Sohn ist aktiv in unserem Onlinegeschäft in der Entwicklung digitaler Plattformen tätig.

SZ: Wie geht es dann einmal weiter?

Ippen: Ich werde meine Unternehmen eines Tages an meine Kinder und an die verschenken, die es am besten führen können.

SZ: Sie haben Ihrem Neffen Daniel Schöningh schon die Führung der norddeutschen Zeitungen anvertraut.

Ippen: Herr Schöningh wird sicher dazugehören. Von Stiftungen halte ich nichts, ich glaube an Unternehmer.

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