Süddeutsche Zeitung

Digitale Kommunikation:Otter ja, Pickel nein

Lesezeit: 2 min

Es gibt 230 neue Emojis. Doch je größer das Universum der Bildzeichen wird, desto schmerzlicher fällt auf, was fehlt.

Von Bernd Graff

Es gibt 230 neue Emojis. Das hat folgenden Grund: Computer sind zwar sehr gut darin, Zahlen zu verarbeiten. Böse Menschen behaupten, dass Computer dann am besten wären, wenn man sie damit auch allein ließe, wenn sie also unbehelligt von irgendwelchem menschlichen "Input" still vor sich hin rechnen dürften.

Sie sind aber nicht allein. Menschen wollen etwas von ihnen, und dazu benötigen sie Eingabegeräte. Tastaturen zum Beispiel. Es ist allerdings nicht vom Himmel gefallen, dass ein Druck auf die Buchstabentaste "W" auch die Ausgabe von "W" auf einem Monitor bedeutet. Denn Computer können eben nur Zahlen.

Darum hat sich ein System etabliert, das für Computer, Tablets und Phones verbindlich regelt, wie alle Schrift-, Text- und Sinn-Zeichen digital kodiert werden: der Standard "Unicode". Denn zu unseren Kulturen gehören auch nicht-schriftliche Zeichen und Piktogramme: die Emojis. Und wenn je ein Grund bestand, der oben genannten Behauptung böser Menschen zu applaudieren, dann sind es diese Mini-Gefühls-, Essens-, Trinkens-, Tier-, Pflanzen- und Wetter-Bildchen, die aus den zu Telegrafenzeiten entstandenen Strichmännchengesichtern hervorgegangen sind.

Denn Emoticons, Emojis und japanische Kaomojis, sie alle wollen die ganze Welt abbilden, auch die der Gefühle. Doch die armen Bildchen-Kodierer vom gemeinnützigen Unicode-Konsortium in Kalifornien kommen mit ihrer Taxonomie kaum hinterher, ständig müssen sie neue Formen für die Ein-Blick-Kommunikation bewilligen, und je mehr sie das tun, desto mehr merkt man, was sie alles ausgelassen haben. In der überbordenden Klassifikation macht sich das Nicht-Klassifizierte, das, was aus dieser Zeichen-Ordnung der Dinge und des Lebens ausgeblendet wurde, geradezu schreiend bemerkbar.

Gerade wurde die Emoji-Version 12.0 mit 230 neuen Unicodes vorgestellt, und diese Liste liest sich wie Michel Foucaults chinesische Enzyklopädie der Tiere: "a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörende." In ebensolcher Scheinordnung bringt auch die neue Emoji-Version zusammen, was so dann doch nicht zusammengehört: Gender-inklusive Paare in diversen Hauttönen mit Mate-Drink und Tauchmaske, Ballettschläppchen, Rikscha, Butterwaffel, Flamingo und Hindu-Tempel, Gebärdensprechende, Blindenstöcke, Knoblauch, Orang-Utans und Otter. Axt, Warnweste und Badeanzug, Rollstuhlfahrer in Elektro- und mechanischen Rollis, Prothesen, Ohren mit Hörgeräten, die "pinching hand" für kleinere Größen. Und Falafel.

Doch wo sind: der Hungernde, der Flüchtling und der Bettelnde, der Miethai, Steuer und Kündigung, die Not-OP, Leichenwagen, Krieg und Vergewaltigung? Es scheint, dass die Welt der Emojis nur in einer porentief reinen Sei-ohne-Sorge-Inklusions-Version vorkommen soll. Nichtmal Pickel gibt es hier. Wenn also diese Form der Ikonografie etwas darüber aussagt, wie wir visuell kommunizieren, dann das: Dieser Sprache fehlen ein paar der wichtigeren Zeichen.

Was willste machen? ¯\_(ツ )_/¯

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4318704
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.