Süddeutsche Zeitung

Digitale Bilder-Manipulation:Kampf der Barbiefizierung

Ein Kosmetik-Hersteller zieht eine Anzeige mit Taylor Swift zurück - die amerikanische Kontrollbehörde "National Advertising Division" hatte die exzessive Photoshop-Manipulation angeprangert. Die Kritik an komplett makellosen Gesichtern in der Werbung wächst.

Franziska Schwarz

Erst einmal geht es nur um falsche Wimpern: Das doppelte Volumen versprach die Marke CoverGirl den Kunden mit ihrer neuen Mascara. Die Countrysängerin Taylor Swift sollte als Beweis dafür herhalten. Das Kampagnenfoto mit Swift geriet sehr überzeugend. Allerdings hatte die Kosmetikfirma den Wimpernkranz nicht mit Tusche, sondern digitaler Retusche erzeugt. "Wimpern wurden in der Postproduktion verbessert", stand unten rechts auf dem Plakat, in winziger Schrift.

Illusionen mit Hilfe von Photoshop sind in der Werbung üblich. Neu ist, dass die amerikanische National Advertising Division die irreführende Anzeige jetzt ausgeschlossen hat. Es ist nicht die einzige, die zuletzt wegen exzessiver Nachbearbeitung von offizieller Seite kritisiert wurde. Dabei ist man längst daran gewöhnt, dass Models auf Fotos aussehen wie Avatare: Weil Werbeträger über gleichmäßige Gesichtszüge und monochrome Haut verfügen sollen, wird der Teint nachkoloriert, Nasen, Mund und Brauen werden, der Symmetrie wegen, versetzt.

Die American Medical Association missbilligte unlängst den Einsatz von Photoshop bei Anzeigen, in Frankreich gab es schon 2009 einen Gesetzesentwurf zu der Thematik: Weil die manipulierten Fotos ein unrealistisches Schönheitsideal vermittelten und daher besonders für junge Mädchen gefährlich seien, wollten 50 Abgeordnete retuschierte Bilder zwar nicht verbieten, aber deutlich sichtbar kennzeichnen lassen. Wie makellose Bilder das Selbstbewusstsein der Konsumenten beeinflussen, dazu gibt es zahlreiche Studien, und sie kommen zu keinem positiven Ergebnis.

Keine Poren und Härchen mehr

Im Internet wird eifrig über echte und unechte Fotos diskutiert. Meist geht es um den unerhörten Glamour von Prominenten. Bei solchen Foren fällt auf, dass die User streng zwischen Alltag und Medienwelt unterscheiden. In den Medien haben menschliche Gesichter praktisch keine Poren und Härchen mehr, und die Haut wirkt wie aus Plastik.

"Barbiefizierung" nennen manche das - der Frust der Konsumenten ist spürbar. Unvergessen ist die Häme, die sich über Pop-Ikone Madonna ergoss, als das durchgesickerte unretuschierte Coverfoto ihres elften Studioalbums bewies, dass auch sie altert und Augenringe hat. Grundsätzlich traut heute einem Foto niemand mehr.

Die italienische Vogue zog kürzlich ein Bild zurück, das ein Model mit extrem verzerrt wirkender Taille zeigte. Unklar ist, ob so viel Photoshop am Werk war, wie die Kritiker behaupten. Chefredakteurin Franca Sozzani jedenfalls bedauerte ihren Schritt: Sie habe geglaubt, damit einer "sinnlosen Debatte" ausweichen zu können, doch wäre es besser gewesen, zu dem Bild zu stehen. Denn, so ihr Argument, es sei schade, wenn Vorurteile die experimentelle Arbeit hemmten - die optische Verzerrung sei aber eine Technik, die der Fotograf Man Ray entwickelt habe.

Man Ray hatte, noch ganz ohne Photoshop, jene Rückenansicht einer nackten Frau fotografiert, die wie ein Violoncello aussah. Die Modefotografie hat schon immer Aufnahmewinkel und Ausleuchtung ausgereizt - sie wollte noch nie das zeigen, was gemeinhin als Realität gilt.

Neue Dimension der Fotobearbeitung

Dennoch, mit der digitalen Technik hat die Fotobearbeitung eine neue Dimension erreicht. Es geht nicht nur um falsche Wimpern oder künstlich übertriebene Kurven; es gab und gibt auch politisch motivierte Bildmanipulationen, was ein ganz anderes Problem ist.

Und selbst der Wissenschaft macht die digitale Retusche zu schaffen: So setzten Forscher Photoshop zum Beispiel ein, damit ein Bild exakt den DNA-Strang zeigte, der zum erhofften Ergebnis eines Experiments passt. Das Journal of Cell Biology geht schon seit Jahren gegen Bildmanipulationen vor, doch die Fälschungen, heißt es, sind kaum zurückgegangen.

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Quelle:
SZ vom 04.01.2012/rela
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