Süddeutsche Zeitung

Museumsbau in Hamburg:In Lichtkaskaden

Das Kollektiv Teamlab Tokyo baut in Hamburg ein Museum für seine digitalen Werke. Doch ist das Kunst - oder elektronischer Firlefanz?

Von Andrian Kreye

Man könnte bei der Gelegenheit, dass am Dienstag verkündet wurde, die Gruppe Teamlab aus Tokio werde ihr drittes Museum in Hamburg eröffnen, mal wieder die Frage stellen, ob das denn überhaupt Kunst ist. Wobei sich Teamlab mit ihren Ausstellungen in den vergangenen zwanzig Jahren und zuletzt in den Museen in Tokio und Shanghai dieser Frage von der genau anderen Richtung genähert haben als beispielsweise Joseph Beuys oder Marcel Duchamp. Weil sie die Seh- und Erlebnisgewohnheiten der Menschen eher mit vielen Juchzern umarmen, anstatt sie herauszufordern. Also - ist es Kunst, die Leute in Kaskaden aus Laserstrahlen, buntem Licht, elektronischen Wohlklängen und noch so allerlei elektronischem Firlefanz zu stellen? "Immersive Art" nennt sich das, eindringliche Kunst, die mit viel Aufwand vor allem in Amerika und Asien installiert wird.

Die Hütenden des Kanons haben sich da noch nicht entschieden. Es gibt in dem Genre nur wenige Genies, sondern vor allem Gruppen. Rund 700 Künstler, Programmierer, Architekten gehören zu dem Kollektiv in Tokio. Aber weil mit dieser Form der Kunst natürlich auch viel Schindluder getrieben wird, der eher auf die Kirmes als ins Museum gehört, ist das Zögern derzeit noch sehr deutlich.

In Hamburg soll das Digital Art Museum von Teamlab 2024 in der Hafencity eröffnen. Lars Hinrichs steht dahinter, der Gründer des sozialen Netzwerkes Xing. Mehr als 7000 Quadratmeter wird das Hamburger Museum haben, fast so viel wie die 10 000 im ersten Museum auf einer künstlichen Insel in der Bucht von Tokio. Es wird damit das größte Museum für digitale Kunst in Europa. Das Berliner Architekturbüro Heide & von Beckerath soll das Gebäude entwerfen. Die Dauerausstellung orientiert sich an der "Borderless"-Installation in Tokio.

Es ist eigentlich ganz egal, ob das Kunst ist oder nicht

Und um die Eingangsfrage zumindest journalistisch zu beantworten: Es ist eigentlich ganz egal, ob das Kunst ist oder nicht. In Tokio im Sommer 2018 war es jedenfalls ein großer Spaß für - jawohl - die ganze Familie. Den teilten offensichtlich all die anderen Besucher auch, die sich da durch die Hallen treiben ließen, in denen die Farben und Lichter strömten, funkelten, gleißten, blinkten, sie rundum umgaben, auf sie reagierten.

Teamlab liefert so etwas wie die Ornamentik der Digitalisierung. Und mit Verlaub, angesichts der wirklich durchweg misslungenen Pixelsoße, die als Kunst der künstlichen Intelligenz verkauft wird, oder dieser ganzen spätpsychedelische Neunzigerjahre-Ästhetik, die die neuen Plattformen als NFT-Werke verkaufen, ist das, was Teamlab da in Tokio inszeniert haben, doch sehr überwältigend in all seiner Schönheit und Pracht. Das Publikum hat sich eh schon entschieden.

Nachdem das Teamlab-Museum in Tokio eröffnet hatte, dauerte es nur eine Saison, da war es das erfolgreichste monothematische Museum der Welt. 2,3 Millionen Besucher waren in einem Jahr gekommen, mehr als ins bis dahin erfolgreichste, das Van-Gogh-Museum in Amsterdam. In Hamburg kalkulieren sie mit 700 000 Besuchern im ersten Jahr. Somit steht Teamlab eher in der Tradition von Christo und Jeanne-Claude, Jeff Koons oder dem Cirque de Soleil. Es ist Spektakel und Stadtmarketing. Aber das haben sie in Hamburg ja recht gerne.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5417177
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.